Gonokokken
Neisseria gonorrhoeae
Steckbrief
Die Gonorrhoe (umgangssprachlich "Tripper") wird durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae hervorgerufen. Gonorrhoe ist nach Chlamydieninfektionen die zweithäufigste bakterielle sexuell übertragbare Infektion.
Vorkommen
Weltweit
Erregerreservoir
Mensch
Infektionsweg
Eine Übertragung erfolgt durch direkten Schleimhautkontakt mit infektiösen Sekreten, kann also bei allen Formen von Geschlechtsverkehr (vaginal, oral und anal) erfolgen oder auch während der Geburt von einer infizierten Mutter auf das Kind.
Inkubationszeit
1 bis 14 Tage
Symptomatik
Bei Frauen ist die Symptomatik oft gering ausgeprägt (vaginaler Ausfluss bzw. leichte vaginale Blutungen) oder sogar fehlend. Aufsteigende Infektionen können zu Entzündungen des kleinen Beckens (Entzündungen der Gebärmutterschleimhaut, der Eileiter oder des Bauchfells) und in weiterer Folge zu Unfruchtbarkeit bzw. Komplikationen in der Frühschwangerschaft (extrauterine Schwangerschaft) führen.
Bei Männern äußert sich die Infektion mit Gonokokken mit Ausfluss von eitrigem Sekret aus der Harnröhre und Brennen beim Harnlassen. Im Gegensatz zu Infektionen bei Frauen verläuft bei Männern nur ein kleiner Teil der Fälle asymptomatisch.
Auch Infektionen des Mastdarms (Rektum) und der Mundhöhle und in seltenen Fällen des Auges sind möglich. Bei unbehandelten Infektionen kann es zu einer disseminierten Gonokokkeninfektion kommen, diese kann mit Gelenksentzündung (Arthritis), Hautveränderungen und selten Herzklappenentzündung (Endokarditis) oder Hirnhautentzündung (Meningitis) einhergehen.
Therapie
Die Gonorrhoe wird mit Antibiotika behandelt. Bei der unkomplizierten Gonorrhoe ist eine einmalige Verabreichung eines Antibiotikums (mittels Injektion in den Muskel oder die Vene) im Regelfall ausreichend.
Vorbeugung
Die wichtigste vorbeugende Maßnahme, um eine Übertragung zu vermeiden, ist die korrekte Verwendung von Kondomen bei sexuellen Kontakten bzw. das Einhalten von „Safer Sex“-Regeln. Es gibt keine spezifischen Impfstoffe zur Vorbeugung von Gonorrhoe.
Situation in Österreich
Jährlich werden an der Nationalen Referenzzentrale 200-400 Gonokokken-Isolate im Rahmen eines Sentinel-Systems analysiert und die Analyseergebnisse im Jahresbericht veröffentlicht. Für Gonorrhoe besteht eine beschränkte Meldepflicht, falls die Gefahr einer Ausbreitung besteht oder sich Patient:innen der Behandlung entziehen. Generell meldepflichtig ist die Erkrankung nicht, daher gibt es hierzulande keine offiziellen Fallzahlen.
Fachinformation
Symptomatik
Bei Frauen ist die Symptomatik oft gering ausgeprägt (vaginaler Ausfluss bzw. leichte vaginale Blutungen) oder sogar fehlend. Aufsteigende Infektionen können zu Entzündungen des kleinen Beckens (Entzündungen der Gebärmutterschleimhaut, der Eileiter oder des Bauchfells) und in weiterer Folge zu Unfruchtbarkeit bzw. Komplikationen in der Frühschwangerschaft (extrauterine Schwangerschaft) führen.
Bei Männern äußert sich die Infektion mit Gonokokken mit Ausfluss von eitrigem Sekret aus der Harnröhre und Brennen beim Harnlassen. Im Gegensatz zu Infektionen bei Frauen verläuft bei Männern nur ein kleiner Teil der Fälle asymptomatisch.
Auch Infektionen des Mastdarms (Rektum) und der Mundhöhle sind möglich. Rektale Infektionen können ohne Krankheitszeichen (asymptomatisch) verlaufen oder sich durch Schmerzen, eitrigen Ausfluss, Blutungen oder analen Juckreiz äußern. Die Symptomatik von Infektionen der Mundhöhle ist häufig gering bis fehlend, asymptomatische Personen mit rektaler oder pharyngealer (Rachen) Besiedlung sind deshalb eine häufige unerkannte Infektionsquelle, besonders bei homosexuellen Männern (MSM = men who have sex with men).
Augeninfektionen können bei Neugeborenen durch eine Infektion während des Geburtsvorgangs, bei Erwachsenen durch Schmierinfektionen entstehen und äußern sich meist durch eine eitrige Bindehautentzündung (Konjunktivitis bzw. Keratokonjunktivitis).
Bei unbehandelten Infektionen kann es zu einer disseminierten Gonokokkeninfektion kommen, diese kann mit Gelenksentzündung (Arthritis), Hautveränderungen und selten Herzklappenentzündung (Endokarditis) oder Hirnhautentzündung (Meningitis) einhergehen.
Therapie
Gonokokken zeichnen sich durch eine rasche Resistenzentwicklung gegenüber Antibiotika aus. Während Penicillin bereits seit 1989 nicht mehr Mittel der Wahl ist und auch die Fluorochinolone (Gyrasehemmer) in den vergangenen 10 Jahren immer höhere Resistenzraten aufwiesen (mittlerweile über 50 %), ist in den vergangenen Jahren auch eine kontinuierliche Verminderung der Empfindlichkeit gegenüber Azithromycin und Cephalosporinen mit erweitertem Wirkungsspektrum zu beobachten, was zunehmend auch mit klinischem Therapieversagen unter oralem Cephalosporin (Cefixim) assoziiert ist, weshalb besonderes Augenmerk auf die Resistenzentwicklung gelegt werden muss.
Einzelne Fälle von Resistenzen gegen Ceftriaxon wurden aus einigen Ländern berichtet. 2022 haben wir in Österreich den zweiten globalen XDR-Gonokokkenstamm mit hochgradiger Resistenz gegen Azithromycin und Resistenz gegen Ceftriaxon, Cefixim, Cefotaxim, Ciprofloxacin und Tetracyclin detektiert, der bei der empfohlenen Therapie mit Ceftriaxon plus Azithromycin zu einem möglichen Versagen der Gonorrhoe-Behandlung führte.
In Österreich wurde bisher darüber hinaus kein weiteres Ceftriaxon resistentes Isolat detektiert. So wie auch in anderen europäischen Ländern ist die Resistenzrate gegen Cefixim in den letzten Jahren zurückgegangen, was auf eine Änderung der Therapierichtlinien (Ceftriaxon anstelle von Cefixim) zurückzuführen ist.
Aufgrund dieser Entwicklungen ist die kontinuierliche Überwachung der Resistenzlage – national und global – von erheblicher Bedeutung. Die Nationalen Referenzzentrale für Neisseria gonorrhoeae überwacht daher die antimikrobielle Empfindlichkeit von jährlich 200-400 Gonokokken-Isolaten. Die aktuelle Resistenzsituation ist dem Jahresbericht der Referenzzentrale bzw. dem AURES zu entnehmen. Mit den Aufgaben als Referenzzentrale haben wir auch die österreichische Vertretung im European Gonococcal Antimicrobial Surveillance Programme (Euro-GASP) übernommen. Im Rahmen dieses Projektes werden jährlich Gonokokken-Isolate inklusive epidemiologischer Daten aus mehreren europäischen Ländern zur überregionalen Resistenztestung gesammelt. Nähere Informationen zur Nationalen Surveillance dazu finden Sie hier.
Im Jahr 2020 wurden die Therapierichtlinien der unkomplizierten genitalen, pharyngealen und rektalen Gonorrhoe sowohl vom European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) als auch von den US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) angepasst bzw. geändert und bieten eine hilfreiche Anleitung zur Auswahl der Therapie:
- Unemo M, Ross J, Serwin AB, Gomberg M, Cusini M, Jensen JS. 2020 European guideline for the diagnosis and treatment of gonorrhoea in adults. Int J STD AIDS. 2020;0(0):1-17.
- St Cyr S, Barbee L, Workowski KA, Bachmann LH, Pham C, Schlanger K, et al. Update to CDC's Treatment Guidelines for Gonococcal Infection, 2020. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2020;69(50):1911-6
Indikation zur Therapie
- Kultureller oder molekularbiologischer Nachweis von Neisseria gonorrhoeae
- Mikroskopischer Nachweis (Gram- oder Methylenblaufärbung) von intrazellulären Diplokokken aus dem Genitaltrakt mit einer entsprechenden Sexualanamnese, nach vorheriger Materialabnahme zur Erregerdiagnostik
- Bei eitrigem urethralem Ausfluss (Männer und Frauen) bzw. bei mukopurulenter Zervizitis mit entsprechender Sexualanamnese auch ohne Erregernachweis (wenn eine rasche Diagnostik nicht möglich ist) nach vorheriger Materialabnahme zur Erregerdiagnostik
- Eitrige Augenentzündung (Ophthalmoblenorrhoe)
- Sexualpartner von Infizierten (gegebenenfalls auch ohne vorherige Diagnostik)
Alle Patient:innen sollten über die Infektionen, sowie Übertragungsmöglichkeiten, Prävention und Therapie aufgeklärt werden. Idealerweise sowohl in mündlicher als auch schriftlicher Form. Patient:innen-Informationen in verschiedenen Sprachen sind z. B. über die IUSTI Homepage -zurzeit leider nicht auf Deutsch - abrufbar.
Therapiekontrolle
Aufgrund der Resistenzproblematik wird eine Therapiekontrolle empfohlen.
- Kultur: frühestens 72 Stunden nach Abschluss der Therapie
- PCR: frühestens 3 Wochen nach Abschluss der Therapie
Diagnostik
Indikation zur Untersuchung auf Gonokokken
- Harnröhrenausfluss bei Männern
- Scheidenausfluss (vaginaler Fluor) bei Frauen mit Risiko für sexuell übertragbare Erkrankungen (STI) (< 30 Jahre, neue:r Partner:in)
- Ausfluss aus dem Gebärmutterhals (Mukopurulente Zervizitis)
- Akute Entzündungen im Bereich des kleinen Beckens (Akute PID = Pelvic inflammatory disease)
- Akute Entzündung des Nebenhodens oder Hodens (Epididymitis, Orchitis) bei Männern < 40 Jahren
- Sexualpartner:innen (der letzten 6 Monate) von Personen mit Gonorrhoe
- Vorliegen anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen (Chlamydien, Syphilis, HIV)
- Im Rahmen eines Screenings auf sexuell übertragbare Erkrankungen bei Personen mit häufig wechselnden oder neuen Sexualpartner:innen mit erhöhtem Risiko für sexuell übertragbare Erkrankungen, MSM oder jungen Erwachsenen (<25 Jahre)
- Nach Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch
- Eitrige Augenbindehautentzündung (Konjunktivitis) bei Neugeborenen oder Erwachsenen
- Mütter von Neugeborenen mit eitriger Augenbindehautentzündung (Konjunktivitis)
Methoden
Bei Verdacht auf Gonorrhoe soll eine duale Diagnostik (Kultur und PCR) angestrebt werden. Die molekularbiologische Untersuchung (PCR) weist eine etwas höhere Sensitivität auf und bietet auch die Möglichkeit der gleichzeitigen Erfassung einer Koinfektion mit Chlamydia trachomatis (und Mycoplasma genitalium). Nur der kulturelle Nachweis erlaubt aber eine Empfindlichkeitstestung der Erreger, was wesentlich für eine individuelle Therapiestrategie ist und einen wichtigen Beitrag zur laufenden Überwachung der Resistenzentwicklung leistet.
Probengewinnung und -material
Gonokokken sterben auf trockenen Abstrichtupfern rasch ab, können in einem geeigneten Transportmedium (Aktivkohle-haltiges Amies-Transportmedium) in der Regel aber auch nach längerer Transportzeit (48-72 Stunden) angezüchtet werden.
Folgende Probenmaterialien eignen sich zur Gonokokken-Diagnostik:
Kultur | PCR | |
Urogenitale Infektion (Mann) | Abstrich Urethra | Erststrahlharn oder Abstrich Urethra |
Urogenitale Infektion (Frau) | Abstrich Zervix | Abstrich Vagina oder Zervix |
Infektion Rachen | Abstrich Rachen | Abstrich Rachen* |
Infektion Rektum | Abstrich Rektum | Abstrich Rektum* |
Augeninfektion | Abstrich Konjunktiva | Abstrich Konjunktiva* |
* Es sind die jeweiligen Zulassungen/Validierungen der PCR für extragenitale Materialien zu beachten
Kontakt
Leitung Referenzzentrale
Dr. Sonja Pleininger MSc
- humanmed.wien@ages.at
- sonja.pleininger@ages.at
- +43 50 555-37111
-
1090 Wien
Währinger Straße 25a
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Aktualisiert: 20.12.2024