Pseudotuberkulose
Corynebacterium pseudotuberculosis
Steckbrief
Die Pseudotuberkulose ist eine chronische, meist lebenslange Infektion bei Schafen und Ziegen, die nur selten tödlich verläuft. Infektionen des Menschen sind vereinzelt dokumentiert.
Vorkommen
Weltweit
Wirtstiere
Schafe, Ziegen; Pferde
Infektionsweg
Meist über Hautverletzungen oder die Schleimhäute
Inkubationszeit
Mehrere Tage bis Wochen
Symptomatik
Typisch sind verkäsende und nekrotisierende Entzündung der Lymphknoten
Therapie
Trotz wirksamer Antibiotika scheitern Therapieversuche meist daran, dass in den abgekapselten Infektionsherden keine ausreichende Wirkstoffkonzentration erzielt wird.
Vorbeugung
Infizierte Tiere sollten frühzeitig erfasst und aus der Herde entfernt werden
Situation in Österreich
Aufgrund fehlender gesicherter Daten lässt sich die tatsächliche Verbreitung von Pseudotuberkulose bei Schafen und Ziegen in Österreich – so wie in den meisten anderen EU-Staaten –nicht abschätzen.
Fachinformation
Aus Sicht des Labordiagnostikers ist Corynebacterium pseudotuberculosis, der Erreger der Pseudotuberkulose, ein perfekter Parasit. Einmal erfolgreich im Wirtstier angesiedelt, entkommt das Bakterium erfolgreich dem Immunsystem und verursacht chronische, meist lebenslange Infektionen, die nur selten letal verlaufen. Wenn infizierte Tiere unerkannt in einer Herde verbleiben, führt dies zu einer fortschreitenden Durchseuchung des gesamten Bestandes.
Neben seiner Fähigkeit, die körpereigene Abwehr zu umgehen, begünstigt die hervorragende Überlebensfähigkeit des Erregers in der Außenwelt das Infektionsrisiko zusätzlich. Für diese Eigenschaften ist der komplexe Zellwandaufbau dieses grampositiven Stäbchenbakteriums aus Mycolsäuren (Lipiden), Arabinogalactan und Peptidoglycan verantwortlich. C. pseudotuberculosis wird durch direkte Sonneneinstrahlung innerhalb von 24 Stunden inaktiviert. Vor direkter Sonneneinwirkung geschützt bleibt der Erreger jedoch in Kot, Wasser, Erdboden und Stroh je nach Umwelttemperatur mehrere Tage bis Wochen infektiös. Temperaturen von 70 °C und alle gebräuchlichen Desinfektionsmittel führen ebenfalls zu einer Erregerinaktivierung. Das natürliche Infektionsspektrum von C. pseudotuberculosis umfasst neben Schafen, Ziegen und Pferden als Einzelvorkommen auch Rinder und Menschen.
Ergänzend sei angemerkt, dass das Krankheitsbild der Pseudotuberkulose bei Nagern, Hasen und Kaninchen eine eigenständige Erkrankung darstellt und durch das für Wiederkäuer klinisch nicht relevante Bakterium Yersinia pseudotuberculosis verursacht wird.
Unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes, der Tiergesundheit (Minderleistung der Tiere, Behandlungskosten, Ausmerzung aufgrund infauster Prognose) und der Lebensmittelhygiene (Milch, Milchprodukte und Fleisch) ist diese Infektionskrankheit von herausragender Bedeutung und bedarf folglich einer nachhaltigen Bekämpfung und Überwachung.
Verbreitung
Während in manchen Ländern wie Australien oder Neuseeland bereits Prävalenzsstudien zum Vorkommen der Pseudotuberkulose durchgeführt wurden, lässt sich die tatsächliche Verbreitung von C. pseudotuberculosis in Österreich – so wie in den meisten anderen EU-Staaten – aufgrund fehlender gesicherter Daten nicht abschätzen. Erfahrungen aus Großbritannien haben allerdings gezeigt, dass nach dem erstmaligen Auftreten dieses Krankheitsbildes im Jahr 1989, das in der englischsprachigen Fachliteratur als „caseous lymphadenitis“ bezeichnet wird, eine stetige Ausbreitung in Schaf- und Ziegenbeständen zu beobachten war. Die in frühen Infektionsstadien fehlende klinische Symptomatik sowie die teilweise vorhandene Unkenntnis der Erkrankung bei Tierhaltern begünstigten in Verbindung mit unkontrolliertem Tierverkehr bzw. Tierhandel die Ausbreitung.
Bedingt durch die starke Zunahme der Bestandsgrößen insbesondere bei Milchziegen und Milchschafen und den vermehrten Zukauf von Zuchttieren aus dem In und- Ausland steigt das Risiko der Einschleppung von Infektionskrankheiten. Zusätzlich zu den derzeit meist im Rahmen des Tierzukaufs durchgeführten Untersuchungen auf Maedi-Visna, CAE und Brucellose sollte künftig auch auf Pseudotuberkulose untersucht werden. Durch Entwicklung und Einführung eines standardisierten ELISA besteht nunmehr die Möglichkeit, diese Erkrankung frühzeitig zu erfassen und entsprechende klinische Verdachtsfälle abzuklären.
Übertragung
Der Erreger wird in erster Linie durch das Exsudat abszedierender Lymphknoten ca. 2-6 Monate post infectionem ausgeschieden oder aerogen bzw. über Sputum übertragen. Die Tiere infizieren sich meist über Hautverletzungen (Schur, Hornstöße, Tätowierung, Ohrmarkenkennzeichnung) oder die Schleimhäute. Unterstützt wird die Infektion durch das vom Erreger produzierte Enzym Phospholipase D, welches Zellmembranen zerstört, die Blutgefäßdurchlässigkeit erhöht und als sogenanntes Exotoxin für die Verbreitung im Organismus verantwortlich ist. Insbesonders kontaminiertes Futter, hölzerne Aufstallung, Putzgeräte, Zäune und Klauenpflegewerkzeug sind Wegbereiter einer Infektion.
Berichte über C. pseudotuberculosis beim Menschen gibt es in der Literatur verhältnismäßig wenig, doch kann es durch Kontakt mit infizierten Tieren auch beim Menschen zu einer granulomatösen, nekrotisierenden Lymphadenitis vor allem an Hals, Achsel und Leiste kommen. Da die antibiotische Behandlung in den meisten Fällen nur unbefriedigende Erfolge liefert, ist in der Regel eine chirurgische Excision der betroffenen Lymphknoten indiziert. Insbesondere Landwirte, Schafscherer, Schlachthofarbeiter und Tierärzte sollten sich über das Risiko einer Infektion bewusst sein und daher entsprechende Schutz- und Hygienemaßnahmen im Umgang mit kleinen Wiederkäuern pflegen.
Symptome
Das typische Leitsymptom dieser chronisch verlaufenden Infektionskrankheit ist eine verkäsende und nekrotisierende Entzündung der Lymphknoten, wobei aufgrund der Lokalisation der pathologischen Veränderungen zwei Verlaufsformen unterschieden werden:
Bei der äußeren Form sind die klinischen Veränderungen auf die äußeren Körperlymphknoten begrenzt. Die betroffenen subkutanen Lymphknoten an Kopf, Schulter, Kniefalte und Euter sind teilweise stark vergrößert und können abszedieren.
Bei der inneren Form treten die pathologischen Veränderungen in der Lunge und den Lymphknoten im Bereich der Brusthöhle auf. Gelegentlich sind nach hämatogener Streuung auch Abszesse im Bereich der Leber bzw. anderen Organen bzw. Lymphknoten im Bauchraum zu beobachten.
In Abhängigkeit von Lokalisation und Grad der Veränderungen treten Schluck- bzw. Atemwegsprobleme sowie Verdauungs- und auch fieberhafte Allgemeinstörungen auf. Diese beiden Krankheitsbilder können bei einem Tier auch kombiniert auftreten.
Bekämpfung
Das vordringliche Ziel in der Bekämpfung der Pseudotuberkulose besteht darin, infizierte Tiere frühzeitig zu erfassen und aus der Herde zu entfernen. Da es sich in der Regel um lebenslang persistierende Infektionen handelt, ist jedes Antikörper-positive Tier als potentieller Keimträger zu betrachten und sollte daher ausgemerzt oder zumindest getrennt von den unverdächtigen Tieren der Herde gehalten werden. Da infizierte Muttertiere die Infektion auf Lämmer bzw. Kitze weitergeben, sollte zur Unterbrechung der vertikalen Infektionskette eine mutterlose Aufzucht erfolgen.
Um den Herdenstatus über das Vorkommen der Pseudotuberkulose im Bestand zu bestimmen, kann in Abhängigkeit von der Herdengröße eine repräsentative Stichprobe der Tiere auf C. pseudotuberculosis spezifischer Antikörper mittels ELISA untersucht werden. Bevorzugt sollten ältere Tiere sowie klinisch verdächtige Tiere in die Untersuchungen einbezogen werden.
In folgender Tabelle ist die Anzahl der zu beprobenden Tiere in Abhängigkeit von der Herdengröße angegeben (berücksichtigt werden alle über 6 Monate alten Tiere einer Herde).
Herdengröße (Tieranzahl) | Stichprobengröße |
unter 20 | alle |
20-29 | 20 |
30-49 | 22 |
50-100 | 25 |
über 100 | 30 |
Therapie und Impfung
Obwohl der Erreger gegenüber verschiedenen Chemotherapeutika hoch empfindlich ist, scheitern Therapieversuche meist daran, dass in den abgekapselten Infektionsherden keine ausreichende Wirkstoffkonzentration erzielt wird und eine Exstirpation der veränderten Lymphknoten auch keine erfolgversprechende praxistaugliche Methodik darstellt. Aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen Schäden durch Schlachtkörperbeanstandungen und Leistungsminderung gab es vor allen in Ländern mit einer intensiven Schaf- bzw. Ziegenhaltung wie Australien oder Südafrika erhebliche Anstrengungen, geeignete Impfstoffe zur Bekämpfung der Pseudotuberkulose zu entwickeln. Der Einsatz von Impfstoffen wird allerdings sehr kontroversiell diskutiert, da durch die Vakzination keine Erregerradikation, sondern lediglich eine Reduktion klinisch manifester Verlaufsformen zu erwarten ist. Ein spezifischer Impfstoff ist derzeit weder in Österreich noch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zugelassen.
Prophylaxe
Aufgrund der meist aufwändigen Sanierung besteht das vordringliche Ziel darin, durch entsprechende Maßnahmen das Risiko eines Pseudotuberkulose-Eintrages in die Herde zu minimieren. Als wichtigste Maßnahme gilt der kontrollierte Tierverkehr bzw. Tierzukauf aus bekannt unverdächtigen Betrieben. Insbesondere Zuchtböcke, die in verschiedenen Betrieben zum Deckeinsatz kommen, stellen einen Risikofaktor in der Verbreitung dar. Allgemeine Grundsätze der Hygiene wie Desinfektion von Geräten (Instrumente, Schafschurgerätschaften und dgl.), die Reinigung und Desinfektion von Stiefeln und Arbeitskleidung sowie der Wechsel der Arbeitskleidung im Bestand dienen dem Schutz nicht nur vor Pseudotuberkulose, sondern auch vor einer Vielzahl anderer Infektionskrankheiten.
Diagnostik
Das klassische Standardverfahren in der Diagnostik der Pseudotuberkulose ist der bakteriologische Erregernachweis mittels Kulturversuch aus Abszessmaterial. Mittlerweile wurden auch PCR-Verfahren entwickelt, die aber keine Verbesserung in der Erfassung subklinisch infizierter Tiere oder bei der inneren Verlaufsform bringen, da zum Nachweis ebenfalls Abszessmaterial erforderlich ist. Da durch den direkten Erregernachweis erst späte Infektionsstadien nachgewiesen werden und eine ausschließliche Manifestation der inneren Organe bzw. Lymphknoten nicht erkannt wird, gibt es erhebliche Bestrebungen, klinisch inapparent infizierte Tiere über die Bestimmung C. pseudotuberculosis spezifischer Antikörper zu erfassen.
Mittlerweile steht ein standardisierter Antikörper (Ak) ELISA zur Verfügung, mit dem auch klinisch unauffällige Tiere erkannt werden können. In diesem indirekten ELISA kommt als Antigen die rekombinante Form des bedeutenden C. pseudotuberculosis spezifischen Virulenzfaktors Phospholipase D (PLD) zur Anwendung.
Neben der labordiagnostischen Abklärung leistet die klinische Untersuchung der äußeren Lymphknoten einen wichtigen Beitrag zur Erfassung Pseudotuberkulose-verdächtiger Tiere. Differentialdiagnostisch ist an Infektionen mit Actinobacillus lignieresi sowie „ubiquitäre opportunistisch pathogene Keime“ wie Stapylococcus aureus oder Arcanobacterium (syn. Actinomyces) pyogenes zu denken.
Kontakt
Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Linz
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Aktualisiert: 21.05.2024