Blauzungenkrankheit

BTV, Bluetongue Disease

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Steckbrief

Die Blauzungenkrankheit (syn. Bluetongue Disease, BT) ist eine Viruserkrankung der Rinder, Schafe, Ziegen, Kamelartiger und wildlebender Wiederkäuer.

Vorkommen

Die Blauzungenkrankheit kommt beinahe weltweit vor

Wirtstiere

Wiederkäuer (z. B. Rinder, Schafe, Ziegen), Wildwiederkäuer (z. B. Hirsch, Rotwild, Steinbock, Gämse) und Kamelartige (z. B. Alpaka). Als empfänglichste Tierart gilt das Schaf, wobei zwischen den einzelnen Rassen Unterschiede in der Empfänglichkeit bestehen. Für den Menschen besteht keine Infektionsgefahr.

Infektionsweg

Die Übertragung des Erregers erfolgt durch Gnitzen (beißend-saugende Insekten). Es besteht kein Risiko, dass sich die Blauzungenkrankheit durch Fleisch oder Milch verbreitet oder überträgt.

Inkubationszeit

4-8 Tage

Symptomatik

Das klinische Krankheitsbild ist vorwiegend durch Fieber und hyperämische Stauungserscheinungen im Bereich des Kopfes bzw. der Kopfschleimhäute (geschwollene, hervortrentende „blaue“ Zunge) sowie der Gliedmaßen bestimmt. Meist erkranken Schafe schwerer als Rinder. Bei letzteren und bei Ziegen kommen häufig auch symptomlose Verläufe vor. Das klinische Krankheitsbild kann an die Maul- und Klauenseuche erinnern (z. B. Fieber, Schleimhautrötungen/entzündungen, Lahmheit). Die Sterblichkeit ist mit Ausnahme von Schafen gering und auch vom Virusstamm abhängig.

Therapie

Es gibt keine spezifische Therapie

Vorbeugung

Die Blauzungenkrankheit ist eine nach dem Tierseuchengesetz anzeigepflichtige Tierseuche. In Österreich werden Rinder im Zuge eines amtlichen Monitorings flächendeckend untersucht. Eine Impfung bei Rind, Schaf, Ziege ist erlaubt.

Situation in Österreich

Österreich hatte seinen ersten BT-Fall mit dem Serotyp 8 im Jahr 2008. Mit 17. März 2011 wurde die BT-Freiheit wiedererlangt. Im 2. Halbjahr 2014 trat ein neuer BTV-4-Seuchenzug in Südosteuropa auf und breitete sich rasch von der Türkei über Griechenland, Rumänien, Bulgarien und die Balkanstaaten bis Ungarn und Kroatien aus. Im Zuge dieser Ausbreitung wurde am 17. November 2015 erstmalig der Serotyp 4 auch in Österreich festgestellt. Insgesamt wurden im Jahr 2015 vier BTV-4-Ausbrüche in den Bundesländern Steiermark und Burgenland verzeichnet sowie drei Ausbrüche im Jahr 2016 in den Bundesländern Burgenland und Kärnten. Ab 2017 wurde bundesweit kein BTV-Fall mehr festgestellt.

Bei Rindern wird ein amtliches Monitoring durchgeführt. Im Jahr 2022 wurden 8.687 Blutproben von Rindern auf Antikörper gegen BTV untersucht, ein großer Teil der Proben stammt aus der amtlichen Überwachung (6.836). Bei einem geringen Prozentsatz (0,6 %) aller getesteten Proben ließen sich Antikörper gegen BTV nachweisen, die vermutlich auf vorangegangene Impfungen bzw. maternale (über die Milch eines geimpften Muttertieres aufgenommene) Antikörper zurückzuführen sind. Im selben Zeitraum wurden 2.115 Proben auf das BTV selbst untersucht, davon waren 26 Proben Verdachts- bzw. Ausschlussuntersuchungen. BTV wurde in keiner dieser Proben nachgewiesen.

Anzahl aller BT-Fälle 2008-2020 in den jeweiligen Bundesländern, Bezirken und Betrieben

Fachinformation

Die Blauzungenkrankheit wurde erstmals in Südafrika im Jahre 1934 festgestellt. Mit dem Export von Merinoschafen in viele Staaten des afrikanischen Kontinents breitete sich die Krankheit weiter aus.

Das Bluetongue Virus (BTV) ist ein unbehülltes doppelsträngiges RNA-Virus, das zum Genus Orbivirus der Familie Reoviridae gehört. Die serologische Verwandtschaft zwischen den zahlreichen einzelnen BTV-Serotypen ist unterschiedlich ausgebildet. Aus diesem Grund besteht die Möglichkeit, dass zwischen zwei BTV-Serotypen entweder eine hohe Kreuzreaktion ("enges" Verwandtschaftsverhältnis, z. B. BTV-8 und BTV-18) oder eine geringe Kreuzreaktion ("weites" Verwandtschaftsverhältnis, z. B. BTV-8 und BTV-15) besteht. Daher kann ein BTV-geimpftes Tier an einem anderen BTV-Serotyp klinisch erkranken und gegen diesen zweiten BTV-Serotyp Antikörper bilden. In Laborversuchen wurde das Bluetongue virus nach 3 Stunden bei einer Temperatur von 50 °C bzw. nach 15 Minuten bei einer Temperatur von 60 °C inaktiv. Das Virus kann unter geeigneten Bedingungen jahrelang überleben, z. B. in Blutproben bei 20 °C. (Quelle: OIE).

Differentialdiagnostisch kommen MKS, BKF, BHV-1, BVD, PI-3, VS (Vesikuläre Stomatitis), EHD, Lippengrind, Kreislaufstörungen anderer Genese etc. in Betracht.

Übertragung

Die Übertragung des Erregers erfolgt durch sogenannte Gnitzen (Culicoides spp.); es gibt keinen direkten Übertragungsweg von Säugetier zu Säugetier. Die Infektion ist saisonal an die Aktivität der Gnitzen gebunden und tritt daher meist im Spätsommer und Herbst auf. Beim Saugakt am infizierten Tier nimmt die Gnitze BTV-hältiges Blut auf. Das BTV gelangt zuerst in den Darm und von dort weiter in die Speicheldrüsen der Gnitze. Mit dem nächsten Saugakt wird virushaltiger Speichel in die Blutbahn des Wirtes gebracht. Dort kommt es zur Virusvermehrung sowie zur Weiterverbreitung in alle Organe. Das Säugetier baut nach der Infektion eine Immunantwort (Antikörperbildung) gegen den Erreger auf. Das BTV kann in der Gnitze bis zu ca. 28 Tagen, im Schaf bis zu ca. 60 Tagen und beim Rind bis zu ca. 220 Tagen nachgewiesen werden.

Symptomatik

Infizierte Tiere weisen eine geringe Letalität und hohe Morbidität auf.  Die Mortalität (= Anteil der empfänglichen Tierpopulation, die an der Krankheit verendet) wird bei Schafen mit 1 % bis 5 % beschrieben, bei Ziegen und Rindern bis zu 1,5 %. Nach dem Stich einer infizierten Mücke kommt es im empfänglichen Wirt zu einer Virämie mit Fieber und klinischen Symptomen. Die häufigste Verlaufsform ist die inapparente. In erkrankten Tieren konnten unterschiedliche Verlaufsformen beobachtet werden: akut, subakut und abortiv, wobei alle mit einer Temperaturerhöhung beginnen.

Die Symptome sind:

  • Fieber (40-42 °C)
  • Hyperämien der oralen und nasalen Schleimhäute
  • Lippenödeme
  • Klauenentzündung: Hyperämie des Kronsaumbereiches
  • Aborte
  • Veränderungen der Skelettmuskulatur

Bekämpfung/Prävention

Nachdem die ersten BTV-4-Fälle im Südosten von Österreich festgestellt wurden, erfolgte eine Anpassung des Überwachungsprogrammes, um das Ausmaß der BT-Viruszirkulation genau eingrenzen zu können. Dafür wurde auf ein Überwachungsschema zurückgegriffen, welches bereits beim BTV-8-Seuchenzug 2008 in Verwendung war. Es wurden 28 Regionen, deren Größe die topografischen Gegebenheiten, die Viehdichte und politische Bezirke berücksichtigen, festgelegt und pro Region – zusätzlich zur bereits laufenden Überwachung – 60 ungeimpfte Rinder einer serologischen BTV-AK-Untersuchung unterzogen. Nach zwei Jahren ohne BTV-Fall im Südosten von Österreich konnte die BTV-4 Restriktionszone verkleinert und im Dezember 2018 auch wieder aufgehoben werden.

Gesundheitsministerium: Rechtsvorschriften Blauzungenkrankheit

Impfung

Gegen die Blauzungenkrankheit gibt es serotypenspezifische Impfstoffe. Seit 01.08.2008 ist ein inaktivierter BTV-8 Impfstoff bei Rindern und kleinen Wiederkäuern von der EMEA zugelassen. Derzeit wird in Österreich kein amtliches Impfprogramm gegen BT durchgeführt. Eine Impfung gegen den Serotyp 4 der Blauzungenkrankheit ist gestattet, wobei diese auf freiwilliger Basis auf Wunsch (und Kosten) der Tierhalter erfolgen kann. Da es sich bei der Blauzungenkrankheit aber um eine gem. Tierseuchengesetz anzeigepflichtige Krankheit handelt, sind dabei gewisse Rahmenbedingungen einzuhalten.

Diagnostik

Als Probenmaterial sind geeignet:

  • Blut (EDTA/Serum)
  • Milch
  • Organe
  • Mücken

Der Nachweis von BTV aus obigen Materialien ist mit folgenden Verfahren möglich:

  • Serologische Testverfahren zur Antikörperbestimmung: ELISA (Serum und Milch)
  • Serumneutralisationstest (Serum)
  • Molekularbiologische Identifizierung (EDTA-Blut, Organe und Mücken)
  • BT-Virusanzüchtung (EDTA-Blut, Organe, eventuell Mücken)

In allen Fällen sollte der Probenversand an das Labor idealerweise unter Beigabe von Kühlmitteln und Berücksichtigung der entsprechenden Transportbestimmungen (UN3373) durch ein dazu berechtigtes Logistikunternehmen durchgeführt werden.

Kontakt

Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling

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Aktualisiert: 10.10.2023