AGES-Radar für Infektionskrankheiten - 19.12.2024
Zusammenfassung
Infektionen mit Influenzaviren nehmen langsam zu und die ersten RSV-Infektionen wurden nachgewiesen. Die SARS-CoV-2-Aktivität ist derzeit, nach der Welle im September, stabil.
Seit dem letzten Radar sind über fünfhundert weitere Pertussis/Keuchhusten-Erkrankungen dazu gekommen, damit sind es heuer bisher 15.125 gemeldete Fälle (Stand: 17.12.2024).
International gehen wir auf die Erkrankungsfälle in der Demokratischen Republik Kongo ein. Zudem berichten wir über die Schulschließung in Deutschland aufgrund von zwei Mpox-Fällen und die hohen Fallzahlen an Mycoplasma pneumoniae in Europa. In den USA startet eine nationale Milchteststrategie, um den seit März andauernden Ausbruch der Aviären Influenza genauer überwachen zu können.
Das Thema des Monats behandelt Noroviren und liefert ein Motto für die Feiertage: Hände waschen – Infektionen verhindern!
Situation in Österreich
In den für die Überwachung ausgewählten Arztpraxen (Sentinel) wurden in der Woche zwischen 9. und 15. Dezember sieben von 237 Proben positiv auf Influenza getestet. Demnach ist die Anzahl der Grippefälle am Ansteigen. Die AGES-Grippeüberwachung schätzt die Inzidenz grippeähnlicher Erkrankungen in Österreich in der Kalenderwoche (KW) 49 auf 1.909/100.000 Einwohner:innen, und somit im Vergleich geringer als in den Vorjahren.
Im Rahmen des Öffentlichen Impfprogramms Influenza können sich diese Saison erstmals alle in Österreich lebenden Personen gratis gegen Grippe impfen lassen. Auch jetzt im Dezember und darüber hinaus ist dies durchaus noch sinnvoll. Eine Impfung ist in teilnehmenden Ordinationen und öffentlichen Impfstellen möglich. Mehr Informationen dazu finden Sie unter: Influenza | Impfen schützt einfach und Influenza-Impfung 2024/2025: Impfstellen.
Die Influenzaimpfung kurz vor der Grippewelle bleibt die beste Präventionsmaßnahme, um das Risiko von Influenzaerkrankungen zu verringern.
Das Robert-Koch-Institut in Deutschland berechnete eine gute Wirksamkeit der Influenzaimpfung gegen die saisonale Influenza A für die vergangene Saison 2023/2024. Besonders wirksam gegen eine Infektion mit Influenza war die Impfung in den Altersgruppen der 0- bis 17-Jährigen und der über 60-Jährigen. Die Ergebnisse weisen außerdem darauf hin, dass eine Influenzaimpfung gegen schwere Krankheitsverläufe mit Hospitalisierung schützt.
Informationen zum Impfprogramm und teilnehmende Impfstellen: https://impfen.gv.at/impfungen/influenza.
Nach dem Höhepunkt im September ist die SARS-CoV-2-Viruslast im Österreichischen Abwassermonitoring bis Mitte November deutlich gesunken. Seitdem steigt die gesamtösterreichische Viruslast wieder leicht an, mit unterschiedlich starken Ausprägungen in den einzelnen Bundesländern.
Bei den COVID-19 bedingten Aufnahmen in österreichischen Krankenanstalten bleibt die Lage stabil. Dieser stabile Trend, bzw. ein Rückgang, zeigt sich auch in anderen europäischen Ländern. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) weist darauf hin, dass für Personen ab 65 Jahren das höchste Risiko für einen schweren Verlauf bei einer COVID-19-Infektion besteht.
Die COVID-19-Impfung wird in Österreich kostenfrei angeboten und ist für alle ab dem vollendeten 6. Lebensmonat möglich. Ab dem vollendeten 12. Lebensjahr ist die Impfung allgemein empfohlen. Die Impfstoffe werden immer wieder an aktuelle Virusvarianten angepasst. Aktuell stehen Variantenimpfstoffe, die gegen JN.1 bzw. KP.2 gerichtet sind, zur Verfügung. Es wird davon ausgegangen, dass beide Impfstoffe einen guten Schutz vor schweren Verläufen der aktuell zirkulierenden Virusvarianten bieten.
Weitere Informationen zum Impfangebot der einzelnen Bundesländer können unter COVID-19 | Impfen schützt einfach. eingesehen werden
In den Sentinel-Proben konnten für diese Saison bisher sechs RSV-Infektionen nachgewiesen werden, entsprechend wird die Viruslast derzeit noch als gering eingeschätzt. In Europa steigt die RSV-Aktivität seit mehreren Wochen an, in der Primärversorgung sind 8 % der Tests RSV-positiv. In Europa sind 83 % der mit RSV hospitalisierten Personen Kinder unter 5 Jahren. (Stand: 16.12.2024, ECDC)
In der vergangenen Saison erreichte die Viruslast in Österreich Anfang Februar 2024 ihren Höhepunkt.
Eine durch RSV ausgelöste Erkrankung kann höchst unterschiedlich verlaufen. Insbesondere bei Säuglingen, Kleinkindern und Personen höheren Alters kann die Erkrankung mit Komplikationen bis hin zum tödlichen Ausgang einhergehen. Daher wird für diese Risikogruppen eine Impfung gegen RSV dringend empfohlen. Folgende Möglichkeiten stehen zur Verfügung:
- Anfang Dezember sind 14.000 Dosen der RSV-Prophylaxe Beyfortus in Österreich eingetroffen. Die Immunisierung steht für Neugeborene kostenlos in den Krankenhäusern zur Verfügung. In einem nächsten Schritt soll das Angebot auch auf weitere Altersgruppen bis zum vollendeten 1. Lebensjahr erweitert werden. Die Organisation befindet sich bereits in Vorbereitung.
- Auch die Impfung von Schwangeren (24. bis 36. Schwangerschaftswoche) zum passiven Schutz von Neugeborenen ist möglich. Die Antikörper der Mutter werden hierbei auf das Kind weitergegeben. Schwangere können auf Wunsch entsprechend der Zulassung einmalig geimpft werden, wenn der Geburtstermin zwischen September und März liegt.
- Personen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr wird zur Vorbeugung von schweren, mitunter lebensbedrohlichen Verläufen eine Impfung zur aktiven Immunisierung allgemein empfohlen. Entsprechende Impfstoffe stehen seit 2023 zur Verfügung.
Bei der nun frisch eingetroffenen RSV-Prophylaxe für Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder handelt es sich um monoklonale Antikörper, also künstlich hergestellte Antikörper, die im Falle einer Infektion dem Immunsystem dabei helfen das Virus zu bekämpfen. Im Unterschied zu Impfungen (aktive Immunisierung), bei denen das Immunsystem durch Bestandteile von Krankheitserregern zur Bildung von eigenen Antikörpern angeregt wird, stehen dem Körper bei der sogenannten passiven Immunisierung schützende Antikörper sehr rasch zur Verfügung.
Die RSV-Prophylaxe wird bei Verfügbarkeit für alle Kinder im 1. Lebensjahr zwischen September und März allgemein empfohlen, sodass sie in ihrer ersten RSV-Saison geschützt sind.
Aktuelle Informationen zur Immunisierung gegen RSV finden Sie unter https://impfen.gv.at/impfungen/rsv
Die Pertussis-Fallzahlen sind in Österreich und vielen Ländern Europas im Jahr 2024 massiv angestiegen. Details dazu haben wir im AGES-Radar vom 28.03.2024 dargestellt.
Während im gesamten Vorjahr 2.791 Fälle in Österreich gemeldet wurden, sind es heuer bisher 15.125 Pertussis-Erkrankungen (Stand: 17.12.2024; letztes Radar: 14.542). Die Fälle pro 100.000 Einwohner:innen für jedes Bundesland für das Jahr 2024 sind in Abbildung 1 dargestellt. Die Altersverteilung (Abbildung 2) zeigt, wie stark vor allem Kleinkinder betroffen sind.
Um Säuglinge in den ersten Lebensmonaten zu schützen, wird insbesondere schwangeren Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel die Impfung nahegelegt, unabhängig vom Abstand zur letzten Pertussis-Impfung. Dadurch erhalten Neugeborene durch mütterliche Antikörper einen Schutz.
Weiterführende Informationen zur Pertussis-Impfung finden Sie im Impfplan Österreich (sozialministerium.at).
Keuchhusten (Pertussis) - AGES
Internationale Ausbrüche
Zwischen dem 24. Oktober und dem 9. Dezember 2024 wurden in der Gesundheitszone Panzi (ein Verwaltungsgebiet des kongolesischen Gesundheitswesens) in der Provinz Kwango, Demokratische Republik Kongo (DRK), 527 Fälle einer nicht diagnostizierten Krankheit registriert. Die Symptome umfassen Fieber, Kopfschmerzen, Husten, laufende Nase und Gliederschmerzen. Es wurden 32 Todesfälle von den Gesundheitseinrichtungen gemeldet. Abweichende, höhere Todeszahlen auf Gemeindeebene werden noch untersucht. Hauptsächlich betroffen sind unterernährte Kinder unter fünf Jahren. (ECDC, Africa CDC, Stand: 12.12.2024)
Einsatzteams wurden entsandt, um Proben zu sammeln, die klinischen Merkmale zu analysieren, die Übertragungsdynamik zu untersuchen und zusätzliche Fälle zu identifizieren (Africa CDC, Stand: 08.12.2024). Aufgrund der begrenzten Laborkapazität des Bezirks wurden die Proben zum nationalen Referenzlabor in Kinshasa transportiert.
Zehn der 12 ursprünglich genommenen Proben wurden positiv auf Malaria getestet. Da diese ersten Proben den langen Transport nach Kinshasa nicht gut überstanden hatten, waren sie allerdings schwer auszuwerten. Medienberichten zufolge verkündete das Gesundheitsministerium der DRK am 17.12.2024, dass die Auswertung weiterer Proben die ursprüngliche Diagnose bestätigte. Demnach soll es sich um schwere Fälle von Malaria in Form respiratorischer Erkrankungen handeln. Verschlimmert wird dies durch die Unterernährung in der betroffenen Region.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte erst im September die Einschätzung der Ernährungssicherheit der Provinz Kwango auf die Krisenstufe von IPC 1 (minimale Nahrungsunsicherheit) auf IPC 3 (Krisensituation) erhöht; IPC steht für integrierte Phasenklassifikation zur Ernährungssicherheit (Integrated Food Security Phase Classification), in der Phase 3 spricht man von akutem Hunger. Mangelernährung kann bei Malariainfektionen zu komplizierteren Verläufen führen.
Das Epizentrum des Ausbruchs, die Gesundheitszone Panzi, liegt sehr abgelegen, was die schnelle Reaktion, sowie die Einschätzung der Situation erschwerte. Rund 200.000 Menschen leben in dieser Region, die sich über 7.377 km² erstreckt, vergleichbar mit der Größe des Bundeslands Salzburg. Panzi liegt etwa 700 km südöstlich von Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Es benötigt drei Tage, dorthin zu gelangen, die laufende Regenzeit erschwert den Weg zusätzlich. Da die diagnostischen Möglichkeiten vor Ort nur begrenzt sind, verzögerte sich die endgültige Identifizierung der Ursache.
Das ECDC schätzt das Risiko für die EU/EEA-Länder als niedrig ein (ECDC, Stand: 13.12.2024).
Undiagnosed disease – Democratic Republic of the Congo
WHO Director-General's opening remarks at the media briefing – 10 December 2024
Communicable disease threats report, 7-13 December 2024, week 50
Eine Schule in Rösrath, einer Stadt bei Köln, Deutschland, hat den Betrieb mit Montagabend (15.12.2024) aufgrund von zwei Mpox-Fällen vorsorglich bis zum Ferienbeginn auf Distanzunterricht umgestellt. Die zwei infizierten Kinder befinden sich mit ihrer Familie, bei denen ebenfalls Mpox diagnostizierte wurde, in Quarantäne. Der Krankheitsverlauf ist derzeit mild.
Angesteckt hat sich die Familie vermutlich bei einem Familienmitglied, das bei einer Reise in Afrika engen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung hatte. Der erste Mpox-Fall in Köln wurde bereits Mitte Oktober nachgewiesen.
Es handelt sich bei diesen Fällen um die Klade Ib. Aufgrund des durch die Klade I ausgelösten Anstiegs von Mpox Fällen im Jahr 2024, hat die WHO im August eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite (PHEIC) ausgerufen.
Innerhalb Europas wurden Fälle der Klade Ib bisher lediglich in Schweden (August), Großbritannien (November) und in Deutschland nachgewiesen. Bei allen europäischen Fällen besteht eine Verbindung zu einer Reise nach Afrika. Das ECDC schätzt das Risiko für die europäische Bevölkerung als niedrig ein. Bei Reisen in betroffene Regionen und Kontakt mit betroffenen Personen, wird das Risiko als moderat eingestuft (ECDC, Stand: 13.12.2024).
Mehr Informationen zu Mpox finden Sie im AGES‑Radar von 29.08.2024.
Einige europäische Länder verzeichneten in den letzten Monaten einen Anstieg von Mycoplasma pneumoniae-Infektionen. Dänemark meldete Mitte November 1.915 neue Fälle pro Woche, während im Jahr 2023 zur selben Zeit 541 neue Fälle registriert wurden. In Schweden wurden seit August ebenfalls ungewöhnlich hohe Infektionszahlen gemeldet. Die bisher für die Saison 2024/2025 ins Krankenhaus aufgenommenen Fälle sind bereits jetzt höher als in den letzten zehn Jahren. Norwegen erlebte Mitte Oktober den Höhepunkt der Fallzahlen, die Inzidenz von Mycoplasma pneumoniae-Fällen ist aber immer noch hoch. 17 % der gezogenen Proben sind Mycoplasma pneumoniae zuzuordnen, am häufigsten sind Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren betroffen.
Mycoplasma pneumoniae ist ein Bakterium, das Infektionen des Respirationstraktes auslösen kann. Die meisten Infektionen verlaufen mild. In manchen Fällen kann es allerdings zu einer langwierigen und schweren Infektion der Lunge kommen, die mit einem Antibiotikum behandelt werden muss. Im Englischen wird die Erkrankung als „Walking Pneumoniae“ bezeichnet, also „Gehende Lungenentzündung“ bzw. „Atypische Lungenentzündung“, da es den Patient:innen scheinbar besser geht, als man es für jemanden mit einer Lungenentzündung erwarten würde. Der Begriff stammt daher, dass viele mit milden Symptomen nicht zuhause oder im Bett bleiben. Übertragen wird das Bakterium durch die Luft (aerogen), wenn eine infizierte Person es u.a. beim Husten oder Niesen ausscheidet.
In den meisten Ländern Europas, u. a. auch Österreich, ist Mycoplasma pneumoniae nicht meldepflichtig. Dadurch ist die Datenlage nur begrenzt. Europäische Medien berichten über steigende Zahlen von atypischen Lungenentzündungen und Krankenhausaufnahmen mit Mycoplasma pneumoniae.
Auch in den USA wurde dieses Jahr zwischen März und Oktober ein Anstieg der Fälle beobachtet. Besonders bei Kindern zwischen 2 und 4 Jahren sticht die Zunahme hervor, da Mycoplasma pneumoniae-Infektionen bisher in der Altersgruppe der 5- bis 17-Jährigen am höchsten waren.
Mycoplasma pneumoniae-Epidemien treten typischerweise alle ein bis drei Jahre auf. Die Abnahme der Immunität in der Bevölkerung (zuletzt verstärkt durch die Kontaktreduktionen während der COVID-19-Pandemie) und das Auftreten neuer Varianten tragen zu diesem Zyklus bei.
Das ECDC beobachtet die Situation und ruft die Mitgliedsstaaten dazu auf, das Auftreten atypischer bzw. schwerwiegender Erkrankungen, Resistenzbildungen gegenüber Antibiotika und dem Druck aufs Gesundheitssystem zu überwachen.
Communicable disease threats report, 30 November - 6 December 2024, week 49
Mycoplasma Pneumoniae Infections Have Been Increasing | NCIRD | CDC
Aviäre Influenza A(H5N1) in den USA
Am 06.12.2024 hat das US-Amerikanische Landwirtschaftsministerium (US Department of Agriculture, USDA) den Start einer nationalen Milchteststrategie vorgestellt. Das Testen von Milchkühltanks bei Milch verarbeitenden Betrieben soll dem USDA ermöglichen, das Virus zu lokalisieren, Trends zu beobachten und potenziell betroffene Herden zu finden. Kurz davor veröffentlichte das Kalifornische Institut für Öffentliche Gesundheit (CDPH) einen freiwilligen Rückruf von Rohmilch(-produkten). Diese wurden im Supermarkt, im Lager und auch an der Abfüllstation eines Herstellers positiv auf das Aviäre Influenza-Virus getestet. Es wird allgemein vom Verzehr roher Milch abgeraten, auch aufgrund anderer möglicher Krankheitserreger. Pasteurisierte Milch wird weiterhin als sicher angesehen.
Der Ausbruch von Aviärer Influenza A(H5N1) bei Milchkühen in den USA ist seit März 2024 im Gange. Das Virus wurde hierbei erstmals in Kühen nachgewiesen. Insgesamt wurden dieses Jahr bisher 860 Fälle von A(H5N1) bei Milchkühen in 16 Bundesstaaten nachgewiesen (USDA, Stand: 17.12.2024). Auch 60 Menschen wurden positiv auf das Virus getestet. Die meisten dieser humanen Fälle waren zuvor in Kontakt mit Kühen oder Geflügel, lediglich in zwei Fällen ist die Infektionsquelle noch nicht geklärt (CDC, Stand: 16.12.2024). Vor dem Jahr 2024 war bisher nur eine weitere Infektion bei einem Menschen, Mitarbeiter eines Geflügelbetriebs, in den USA nachgewiesen worden.
Erstmals wurde Ende Oktober das A(H5N1)-Virus auch in einem Schwein in Oregon entdeckt. Da Schweine sowohl menschliche als auch aviäre Rezeptoren besitzen, werden sie als eine Art „Mischgefäß“ für das Virus angesehen. Aufgrund dieser Eigenschaft sorgte die Infektion für Beunruhigung unter Wissenschafter:innen.
Die Situation in den USA wird neben der geplanten Milchproben auch über das Abwasser beobachtet. Genetisches Virusmaterial im Abwasser kann ein Indikator für eine betroffene Herde in der Nähe sein bzw. auf eine mögliche Zunahme von Infektionen in der Gegend aufmerksam machen. Derzeit wird der Subtyp A(H5) hauptsächlich in Kalifornien detektiert, wo aktuell auch die meisten Fälle gemeldet werden.
In Österreich und Europa wurden noch keine A(H5N1)-Fälle bei Menschen und Rindern gemeldet. Das ECDC schätzt das Risiko für die allgemeine europäische Bevölkerung als niedrig ein. Bei Personen mit Kontakt zu infizierten Tieren bzw. einer kontaminierten Umgebung, ist das Risiko niedrig bis moderat.
Für Hobby‑Geflügelhalter hat die AGES im Auftrag des Ministeriums Informationsvideos erstellt, die über Krankheitszeichen und Maßnahmen informieren. Informationen zu aktuellen Ausbrüchen finden Sie im AGES-Tierseuchenradar.
Thema des Monats
Noroviren sind auf der ganzen Welt verbreitet und zählen zu den häufigsten Erregern von Magen-Darm-Infektionen. Sie sind dafür bekannt, rasch zu großen Ausbrüchen zu führen, insbesondere dort, wo Menschen auf engem Raum zusammen sind. Das betrifft einerseits Gemeinschaftseinrichtungen, wie beispielsweise Kindergärten oder Pflegeheime, aber auch Kreuzfahrtschiffe und Hotels. Besonders heuer kam es in Österreich und anderen europäischen Ländern zu außergewöhnlich vielen Fällen von Norovirus-Infektionen.
Was passiert bei einer Infektion?
Üblicherweise kommt es bei einer Norovirus-Infektion wenige Stunden bis zwei Tage nach der Ansteckung, zu Übelkeit, schwallartigem Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen. Zusätzlich kann es zu einem allgemeinen Krankheitsgefühl mit Muskel- und Kopfschmerzen sowie leichtem Fieber kommen. Meistens ist die Krankheit selbstlimitierend, eine Besserung tritt also von alleine, ohne spezifische Therapie, nach wenigen Tagen ein. Durch den starken Durchfall und das Erbrechen kann es zu einer Austrocknung kommen, die bei sehr jungen oder sehr alten Personen zu schweren Verläufen führen kann. Trotz der oft milden Erkrankung kommt es weltweit jährlich zu geschätzten 136.000 bis 278.000 Todesfällen durch Norovirus. Daher ist während der Erkrankung eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr besonders wichtig.
Hoch ansteckend!
Noroviren sind kleine Viren, die der Familie der Calcidiviridae angehören. Sie kommen nur beim Menschen vor und sind sehr ansteckend. Dies hat mehrere Gründe: Einerseits reicht eine sehr geringe Menge an Viruspartikeln (10-100) aus, um zu einer Infektion zu führen (sog. „Infektionsdosis“). Während der Erkrankung werden die Viren in großen Mengen mit dem Erbrochenem und dem Stuhl ausgeschieden. Auch nach Besserung der Symptome können weiterhin Viruspartikel vorhanden sein, die zu einer Ansteckung führen. Andererseits sind Noroviren sehr widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen. Sie können auf unbelebten Oberflächen längere Zeit überleben und sind gegen viele Desinfektionsmittel resistent. Bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln sollte daher immer darauf geachtet werden, dass diese auch gegen Noroviren wirksam sind. Man geht davon aus, dass Noroviren sowohl Gefriertemperaturen als auch Temperaturen bis zu 60 °C, zumindest für gewisse Zeit, überleben können.
Die meisten Norovirus-Infektionen erfolgen durch eine Übertragung von Mensch-zu-Mensch. Einerseits durch den direkten Kontakt mit Ausscheidungen infizierter Personen: Eine Besonderheit der Noroviren ist, dass die Viruspartikel auch über Tröpfchen in der Luft übertragen werden können, die durch das schwallartige Erbrechen entstehen. Andererseits ist eine indirekte Übertragung möglich, z. B. über kontaminierte Hände oder kontaminierte Oberflächen und Gegenstände. Neben infizierten Personen können auch kontaminierte Lebensmittel (z. B. Tiefkühlbeeren oder Schalentiere) oder Wasser als Infektionsquelle dienen.
Somit können Ausbrüche auf unterschiedliche Arten entstehen: Zum Beispiel können sich durch eine kontaminierte Speise in einer Kantine oder in einem Restaurant viele Personen auf einmal anstecken. Eine einzelne Person kann diese Infektion dann wiederum an ihre Schulklasse, Familienmitglieder oder andere enge Kontaktpersonen weitergeben.
Saisonale Schwankungen
Norovirus-Infektionen werden vermutlich stark untererfasst, sodass das wahre Ausmaß der Verbreitung unbekannt ist. Das liegt daran, dass Patient:innen mit milden Verlaufsformen entweder nicht zum Arzt/zur Ärztin gehen oder diese:r keine weiterführende Stuhldiagnostik auf Noroviren veranlasst. Außerdem sind in Österreich nur solche Norovirus-Fälle meldepflichtig, die mit Lebensmitteln in Zusammenhang stehen.
Üblicherweise treten die meisten Fälle von Norovirus-Infektionen im Winter auf (sog. „winter vomiting disease“). Heuer kam es in den wärmeren Monaten aber nicht zu dem erwarteten Absinken der Fälle nach dem Gipfel im Winter: Im Frühjahr wurden in Österreich 53 % mehr Fälle gemeldet als im gleichen Zeitraum der Jahre zuvor. Ein ähnliches Muster konnte man in Deutschland, Finnland, Irland, den Niederlanden oder den USA sehen. Auch im Vereinigten Königreich wurde ein Anstieg verzeichnet: Dort gab es im April 75 % mehr Fälle als in den Jahren zuvor.
Die Ursache liegt unter anderem an dem dominanten Genotypen GII. 17 der in Österreich und Europa zirkuliert. Dieser Genotyp war in Österreich von Juli 2023 bis Juni 2024 für die Hälfte (sechs von zwölf) aller Norovirus-Ausbrüche verantwortlich, während er in den Jahren davor nur etwa 10 % der Ausbrüche ausmachte. Insgesamt wurden 2024 in Österreich bisher 3.309 Norovirus-Fälle gemeldet (Stand: 17.12.2024, sh. Abbildung 1). Im Vergleich dazu: Im Jahr 2023 waren es 2.134 Fälle, im Jahr 2022 wurden 1.945 Fälle registriert und 2021 waren es 1.322 Fälle (sh. Abbildung 2). Generell treten die meisten Norovirus-Infektionen bei Kleinkindern und älteren Personen auf. Im Jahr 2024 waren 40 % der gemeldeten Fälle Personen über 65 Jahre.
Wie kann ich mich vor einer Norovirus-Infektion schützen?
Eine Impfung oder geeignete Therapie gegen Noroviren steht derzeit nicht zur Verfügung. Daher ist die Einhaltung hygienischer Maßnahmen besonders wichtig, um die Verbreitung der Viren zu verhindern. Das bedeutet in erster Linie: Händehygiene! Unabhängig davon, ob man gesund oder krank ist, sollten die Hände immer gründlich mit (warmem) Wasser und Seife gewaschen werden, insbesondere nach dem Toilettengang und vor dem Umgang mit Lebensmitteln. Dies gilt speziell in lebensmittelverarbeitenden Betrieben sowie in Gemeinschaftseinrichtungen, wie Schulen, Kindergärten, Pflegeheimen, und Krankenhäusern.
Wenn man selbst an einer Norovirus-Infektion erkrankt, sind zusätzlich zur strikten Einhaltung der Händehygiene noch andere Maßnahmen notwendig:
- Oberflächen, die durch Stuhl oder Erbrochenem verschmutzt sind, müssen sofort gereinigt und desinfiziert werden
- Kleidung, Bettwäsche und Handtücher bei 60 °C (oder höher) waschen
Im gemeinsamen Haushalt von Erkrankten und Nicht-Erkrankten ist weiters zu beachten:
- Erkrankte sollten nicht das Essen für andere Personen zubereiten
- Hygieneartikel oder Essutensilien nicht gemeinsam benutzen
- Körperkontakt, wie z. B. Händeschütteln, vermeiden
- Tägliche Reinigung und Desinfektion gemeinschaftlich genutzter Oberflächen und Gegenstände
- Bei der Pflege Erkrankter: Tragen eines Mund-Nasen-Schutz oder einer FFP2-Maske
Wie bereits erwähnt, sollte bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln immer darauf geachtet werden, dass diese auch gegen Noroviren wirksam sind. In Gemeinschaftseinrichtungen können außerdem zusätzliche Maßnahmen nötig sein, wie etwa ein Besuchsverbot oder die räumliche Absonderung von erkrankten Personen. Wenn möglich, sollten erkrankte Personen bis zwei Tage nach dem Ende der Symptome von Gemeinschaftseinrichtungen fernbleiben. Es ist wichtig zu wissen, dass nach einer Norovirus-Infektion keine langfristige Immunität besteht. Das bedeutet, dass man sich wiederholt mit dem Virus anstecken und daran erkranken kann. Da die Viren auch nach Ende der Krankheit für noch ein bis zwei Wochen lang ausgeschieden werden können, ist es besonders wichtig auch nach der Erkrankung weiterhin auf eine strikte Händehygiene zu achten.
Also: Hände waschen – Infektionen verhindern!
Meldungen
Der Internationale Tag der allgemeinen Gesundheitsversorgung wird seit 2014 jährlich am 12. Dezember begangen. Er soll auf die allgemeine Gesundheitsabsicherung (Universal Health Coverage, UHC) für alle Menschen aufmerksam machen, die sich auf drei Themen konzentriert: 1) die Gleichberechtigung beim Zugang zu Gesundheitsleistungen, 2) die ausreichende Qualität der Dienstleistungen und 3) der Schutz der Menschen vor finanziellem Ruin aufgrund von Gesundheitsausgaben. Leider haben weltweit nach wie vor 4,5 Milliarden Menschen keinen allgemeinen Zugang zu Gesundheitsdiensten.
In Österreich sollen die zehn Gesundheitsziele dafür sorgen, dass alle in Österreich lebenden Personen die gleichen Chancen auf Gesundheit haben, unabhängig von Alter, Einkommen, Herkunft oder Geschlecht: Gesundheitsziele und Arbeitsgruppen - Gesundheitsziele Österreich.
https://universalhealthcoverageday.org/
https://www.who.int/campaigns/universal-health-coverage-day/2024
Die WHO hat am 11.12.2024 den Welt-Malaria-Bericht 2024 veröffentlicht. Es wird geschätzt, dass seit dem Jahr 2000 ca. 2,2 Milliarden Malaria-Fälle und 12,7 Millionen Todesfälle verhindert wurden. Dies war u. a. möglich durch eine Kombination aus Aufklärungsarbeit, mit Insektiziden behandelten Moskitonetzen, präventiven Medikamenten, schnellen diagnostischen Tests und Malaria-Impfungen. Malaria ist trotzdem immer noch eine weltweite Gesundheitsgefährdung, vor allem in der WHO Region Afrika.
Neues HIV-Medikament verhindert Infektionen
Am ersten Dezember wird jährlich der Welt-AIDS-Tag begangen, um Bewusstsein zu schaffen und auf die weiterhin bestehenden Herausforderungen hinzuweisen. Im Jahr 2023 lebten geschätzte 39,9 Millionen Menschen weltweit mit HIV. Ungefähr 630.000 Personen starben letztes Jahr an mit HIV in Verbindung stehenden Ursachen. Und geschätzte 1,3 Millionen Menschen haben sich 2023 mit HIV angesteckt.
Das Journal „Science“ hat das injizierbare HIV-Medikament Lenacapivir zum „Durchbruch des Jahres 2024“ ernannt. Viele HIV/AIDS-Forscher:innen sind zuversichtlich, dass Lenacapivir als Präexpositionsprophylaxe (PrEP) die weltweiten Infektionsraten stark senken wird.
Eine große Wirksamkeitsstudie an jungen afrikanischen Frauen ergab eine Wirksamkeit von 100 %: keine einzige Frau, die das Medikament verabreicht bekam, infizierte sich mit HIV. In einer weiteren Studie, durchgeführt auf vier Kontinenten bei Menschen, die Sex mit Männern haben, infizierten sich lediglich 2 von mehr als 2.000 Personen, es zeigte sich also ebenfalls eine sehr hohe Wirksamkeit von 99,9 %.
Als PrEP muss Lenacapivir nur alle sechs Monate injiziert werden und hat somit das Potenzial, Millionen von zukünftigen Infektionen zu verhindern.
In Österreich muss Lenacapivir noch als langwirksame PrEP zugelassen werden. Derzeit steht in Österreich die Wirkstoffkombination Emtricitabin/ Tenofovirdisoproxilfumarat als orale PrEP zu Verfügung. Diese bietet bei korrekter Einnahme auch einen hochwirksamen Schutz vor einer HIV-Infektion. Seit April 2024 werden die Kosten dafür von der Sozialversicherung zurückerstattet.
Die sieben AIDS-Hilfe-Standorte in Österreich bieten anonyme und kostenlose HIV-Labor-Tests an, Termine können online vereinbart werden: AIDS-Hilfen Österreichs.
Fachbegriff Epidemiologie
Virulenz beschreibt, wie „giftig“ oder schädlich die Wirkung eines Infektionserregers auf einen bestimmten Wirt ist. Sie hängt von vielen einzelnen, erworbenen und veränderlichen Fähigkeiten des Erregers ab, die bestimmen, wie effektiv er jemanden infizieren und krank machen kann. Die Beurteilung der Virulenz erfolgt anhand der Fähigkeit eines Erregers, in lebendes Gewebe einzudringen, sich dort zu vermehren, und den Grad der dadurch ausgelösten Schäden. Zusätzlich spielt auch die Empfindlichkeit des Erregers gegenüber einer Therapie sowie die Fähigkeit, dem Immunsystem zu entgehen, eine Rolle.
Bei einer Infektion wirken Virulenz und Pathogenität zusammen. Pathogenität beschreibt die genetische Grundlage eines Erregers, in einem bestimmten Wirt überhaupt eine Krankheit auszulösen. Apathogene Bakterien können zum Beispiel keine Krankheit auslösen.
Pathogenität = Kann der Erreger überhaupt krank machen?
Virulenz = Wie schwer wird man krank?
Im Zuge der COVID-19-Pandemie stellte sich beispielsweise oft die Frage, ob eine neue Variante eine höhere Virulenz aufweist, also für eine schwerere Erkrankung sorgt als ältere Varianten.
Über das Radar
Das AGES-Radar für Infektionskrankheiten erscheint monatlich. Ziel ist es, der interessierten Öffentlichkeit einen raschen Überblick zu aktuellen Infektionskrankheiten in Österreich und der Welt zu geben. Die Krankheiten werden kurz beschrieben, die aktuelle Situation wird geschildert und, wo es sinnvoll und möglich ist, wird das Risiko eingeschätzt. Links führen zu tiefergehenden Informationen. Im "Thema des Monats" wird jeweils ein Aspekt zu Infektionskrankheiten genauer betrachtet.
Wie wird das AGES-Radar für Infektionskrankheiten erstellt?
Wer: Das Radar ist eine Kooperation der AGES-Bereiche „Öffentliche Gesundheit“ und Risikokommunikation.
Was: Ausbrüche und Situationsbewertungen von Infektionskrankheiten:
- National: Basierend auf Daten aus dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS), der Ausbruchsabklärung und regelmäßigen Berichten der AGES und der Referenzlabore
- International: Basierend auf strukturierter Recherche
- Thema der Woche (Jahresplanung)
- Meldungen zu wissenschaftlichen Publikationen und Events
Weitere Quellen:
Akute infektiöse respiratorische Erkrankungen treten in der kalten Jahreszeit vermehrt auf, darunter COVID-19, Influenza und RSV. Diese Erkrankungen werden über verschiedene Systeme beobachtet, wie dem Diagnostischen Influenza Netzwerk Österreich (DINÖ), dem ILI-(Influenza-like-Illness)-Sentinel-System und dem Österreichischen RSV-Netzwerk (ÖRSN). Die Situation in den Krankenhäusern wird über das SARI-(Schwere Akute Respiratorische Erkrankungen)-Dashboard erfasst.
Österreichische Labore schicken SARS-CoV-2-Proben zur Sequenzierung an die AGES. Die Ergebnisse der Sequenzierung werden regelmäßig auf der AGES-Website veröffentlicht.
Für die internationalen Berichte werden Gesundheitsorganisationen (WHO, ECDC, CDC, …) Fachmedien, internationale Presse, Newsletter und Social Media routenmäßig beobachtet.
Für Infektionserkrankungen in Österreich erfolgt die Einschätzung der Situation durch die Expert:innen der AGES, ebenso für internationale Ausbrüche, für die keine Einschätzung von WHO oder ECDC vorliegen.
Disclaimer: Die Themen werden nach redaktionellen Kriterien ausgewählt, es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Anregungen und Fragen an: wima@ages.at
Da die Antwort auf Anfragen ebenfalls zwischen allen Beteiligten (Wissensmanagement, INFE, Risikokommunikation) abgestimmt wird, bitten wir um etwas Geduld. Eine Antwort erfolgt innerhalb einer Woche.
Das nächste AGES-Radar erscheint am 30.01.2025.
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Aktualisiert: 19.12.2024