Amerikanische Rebzikade
Scaphoideus titanus
Steckbrief
Die Amerikanische Rebzikade ist eine aus Nordamerika stammende Zwergzikade. Sie überträgt den Erreger der wirtschaftlich bedeutsamen Rebkrankheit „Flavescence dorée“ (Goldgelbe Vergilbung der Rebe), eine in der Europäischen Union meldepflichtige Unionsquarantänekrankheit.
Aussehen
Die erwachsene Amerikanische Rebzikade (Scaphoideus titanus) ist geflügelt und 5-6 mm lang. Erkennungsmerkmale sind ihre spitze Kopfform, mittelbraune Bänder am Rücken und die kontrastreich gefärbten Flügel, die weiße Stellen und dunkle Flügeladern aufweisen.
Das erste Larvenstadium ist etwa 1,8 mm groß und durchscheinend weiß gefärbt. Am Körperende befinden sich zwei dunkle Punkte. Auch die anderen vier Larvenstadien zeigen diese beiden Punkte. Mit jeder Häutung werden die Larven größer und ihre Körperfarbe dunkler.
Biologie
In Österreich beginnen die ersten Larven etwa ab der letzten Maiwoche zu schlüpfen. Der Schlupf wird von der Witterung, geografischen Lage und Seehöhe der Weingärten beeinflusst und dauert mehrere Wochen, sodass verschiedene Entwicklungsstadien gleichzeitig auftreten. Die jungen Larven sitzen häufig an den Stockausschlägen auf der Blattunterseite. Nach insgesamt fünf Larvenstadien treten im Juli die erwachsenen, flugfähigen Zikaden auf. Ab Ende Juli legen die Weibchen ihre Eier am Rebstock unter die Rinde ab. Den Winter überdauert die Amerikanische Rebzikade im Eistadium. Sie durchläuft eine Generation im Jahr.
Schadsymptome
An sich ist die Amerikanische Rebzikade kein Schädling. Sie überträgt jedoch den Erreger der wirtschaftlich bedeutsamen Goldgelben Vergilbung der Rebe (Flavescence dorée). Dabei handelt es sich um Phytoplasmen, die als Zellparasiten in den Siebröhren der Rebe leben. Frisch geschlüpfte Larven der Amerikanischen Rebzikade sind immer frei von Flavescence dorée-Phytoplasmen. Saugen die Zikaden an einer mit Flavescence dorée infizierten Rebe, nehmen sie die Erreger mit dem Saftstrom auf. Nach drei bis vier Wochen können die Zikaden dann die Phytoplasmen weitergeben. Die größte Gefahr hinsichtlich der Verbreitung der Goldgelben Vergilbung geht von den erwachsenen Zikaden aus. Diese treten ab ca. Mitte Juli bis Ende September auf. Aufgrund der engen Bindung der Amerikanische Rebzikade an die Rebe, kann es zu einer raschen Ausbreitung der Krankheit kommen.
Wirtspflanzen
Die Hauptwirtspflanze der Amerikanischen Rebzikade ist die Weinrebe (Vitis spp), von deren Phloemsaft sich die Zikaden ernähren und auf der die Paarung sowie die Eiablage erfolgen. Gelegentlich ernährt sich die Amerikanische Rebzikade auch von anderen Pflanzen, wenn diese in Nähe von Reben wachsen. Sie wurde z.B. auf folgenden Pflanzenarten gefunden:
- Selbstkletternde Jungfernrebe (Parthenocissus quinquefolia)
- Korbweide (Salix viminalis)
- Pfirsich (Prunus persica)
- Amerikanische Ulme (Ulmus americana)
Eine Entwicklung vom Ei bis zur erwachsenen Zikade ist jedoch nur an Weinreben möglich.
Verbreitung
Die Amerikanische Rebzikade tritt in folgenden Ländern auf (Stand 2023): Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Schweiz, Slowenien, Kroatien, Serbien, Österreich, Ungarn, Slowakei, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Rumänien, Bulgarien, Moldawien, Tschechien, Ukraine, Kosovo und Russland.
In Österreich wurde sie erstmals 2004 in Weingärten der Südoststeiermark festgestellt. Seither wird in einem jährlichen Monitoring die Verbreitung, die Populationsgröße und die Entwicklung der Amerikanischen Rebzikade in den Weinbaugebieten v.a. in Ostösterreich von unseren Expertinnen und Experten in enger Kooperation mit den Landespflanzenschutzdiensten und Landwirtschaftskammern überwacht, um rechtzeitig notwendige Maßnahmen ergreifen zu können und Schäden zu verhindern. Bislang hat sich die Amerikanische Rebzikade in der Steiermark, dem Burgenland, Niederösterreich und Kärnten etabliert und tritt regional zum Teil in stark unterschiedlicher Anzahl auf.
2023 wurde das Auftreten der Amerikanischen Rebzikade in Österreich an 113 Standorten in Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Kärnten, Wien und Tirol überwacht. Das Auftreten der Amerikanischen Rebzikade ist in den verschiedenen Weinbaugebieten sehr unterschiedlich. Allgemein ist die Amerikanische Rebzikade in der Steiermark (Süd- und Südoststeiermark) und im Burgenland weiter verbreitet als in Kärnten und Niederösterreich, wo sie vor allem entlang der Grenze zur Slowakei und Tschechien festgestellt wurde. Im nordöstlichen Weinviertel wurde 2023 ein Anstieg der Fangzahlen festgestellt.
Ausbreitung und Übertragung
Die erwachsenen Amerikanischen Rebzikaden sind geflügelt und daher in der Lage sich aktiv auszubreiten. Zusätzlich kann eine passive Verbreitung mit Luftströmungen erfolgen.
Wirtschaftliche Bedeutung
Als effektiver Überträger des Flavescence dorée Phytoplasmas spielt die Amerikanische Rebzikade eine zentrale Rolle in der Epidemiologie von Flavescence dorée. Bei gleichzeitigem Auftreten von Flavescence dorée infizieren Rebstöcken und vielen Amerikanischen Rebzikaden kann es im Weinbaugebiet zur raschen Ausbreitung der Krankheit kommen. Flavescence dorée kann die Weinreben massiv schädigen. Die Folgen sind Ertragsverluste, hohe Produktionskosten durch zusätzlichen Betriebsmitteleinsatz bzw. Kosten für Rodungsmaßnahmen und Neuauspflanzungen. Flavescence dorée hat wegen der negativen Auswirkungen auf den Weinbau in der Europäischen Union den Status einer meldepflichtigen Unionsquarantänekrankheit.
Vorbeugung und Bekämpfung
Um die Ansteckung der Larven mit dem Flavescence dorée Phytoplasma zu unterbinden, ist die Verwendung von geeigneten Pflanzenschutzmitteln ab dem dritten Larvenstadium sinnvoll (Verzeichnis der in Österreich zugelassenen Pflanzenschutzmittel)
Dabei ist zu beachten, dass die Larven über mehrere Wochen hinweg schlüpfen. Eine zweite Behandlung zur Erfassung der später geschlüpften Larven kann notwendig sein. Grundsätzlich sollte die Vektorbekämpfung immer auf Basis der Erhebungen aus dem Monitoring und den Empfehlungen des entsprechenden Landespflanzenschutzdienstes sowie der Landwirtschaftskammer erfolgen. Die aktuellen Informationen zum Monitoring der Amerikanischen Rebzikade können über den Rebschutzdienst bzw. insect-watch abgerufen werden.
Im Herbst ist eine genaue visuelle Kontrolle der Reben auf Vergilbungssymptome ganz wichtig. Bei Verdacht wird eine Pflanzenuntersuchung empfohlen, um Verwechslungsmöglichkeiten mit anderen Vergilbungsursachen (z.B.: Stolbur) auszuschließen. Denn nur wenn die Ansteckungsquellen schnell entfernt werden, kann die Ausbreitung der Goldgelben Vergilbung der Rebe verhindert werden.
Phytosanitärer Status
Die Amerikanische Rebzikade ist kein Quarantäneschaderreger. Sie überträgt aber den Erreger der Rebkrankheit „Flavescence dorée“ (Goldgelbe Vergilbung der Rebe), eine meldepflichtige Unionsquarantänekrankheit nach EU-VO 2016/2031.
Fachinformation
Publikationen
Götsch, D., Strauß, G., Blümel, S., 2020. Laboratory trials to reduce egg hatching of the American grapevine leafhopper (Scaphoideus titanus) with selected insecticides; Bulletin of Insectology, 73(1), 53-58. ISSN: 1721-8861 (Print); 2283-0332 (Online).
Strauss, G., Reisenzein, H., 2018. First detection of Flavescence dorée phytoplasma in Phlogotettix cyclops (Hemiptera, Cicadellidae) and considerations on its possible role as vector in Austrian vineyards. Integrated Protection in Viticulture IOBC-WPRS Bulletin, 139, 12-21.
Kopacka, I., Steffek, R., Strauß, G., Reisenzein, H., 2017. Modeling spatial and temporal spread of Flavescence dorée in two Austrian vine growing areas. IOBC-WPRS Bulletin, 128, 66-74.
EFSA Panel on Plant Health (PLH), Jeger, M., Bragard, C., Caffier, D., Candresse, T., Chatzivassiliou, E., Dehnen-Schmutz, K., Gilioli, G., Jaques, J. A., MacLeod, A., Navajas, M., Niere, B., Parnell, S., Potting, R., Rafoss, T., Urek, G., Rossi, V., Van Bruggen, A., Van Der Werf, W., West, J., Winter, S., Bosco, D., Foissac, X., Strauss, G., Hollo, G., Mosbach-Schulz, O., Gregoire, J-C., 2016. Scientific opinion on the risk to plant health of Flavescence doree for the EU territory. EFSA Journal, 14(12). doi:10.2903/j.efsa.2016.4603
Strauß, G., Reisenzein, H., Steffek, R., Schwarz, M., 2014. The role of grapevine arbours as overlooked sources of „flavescence dorée” and Scaphoideus titanus in southeastern vineyards of Austria. In: Bertaccini, A. (Ed.), Phytoplasmas and phytoplasma disease management: how to reduce their economic impact. IPWG – International Phytoplasmologist Working Group, 239-245.
Steffek, R., Reisenzein, H., Strauss, G., Leichtfried, T., Hofrichter, J., Kopacka, I., Schwarz, M., Pusterhofer, J., Biedermann, R., Renner, W., Klement, J., Luttenberger, W., Welzl, A.G., Kleissner, A., Alt, R., 2011. VitisCLIM, a project modelling spread and economic impact of Grapevine Flavescence dorée phytoplasma in Austrian viticulture under a climate change scenario. Bulletin of Insectology 64, 191-192.
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Aktualisiert: 12.03.2024