Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche
Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten hygienisch einwandfreie Lebensmittel und die Lebensmittelindustrie legt großen Wert auf die Qualität ihrer Produkte. Erkranken Menschen dennoch durch den Verzehr von mit Krankheitserregern verunreinigten Lebensmitteln, sollte versucht werden, die Ursachen herauszufinden.
In Einzelfällen ist es in der Regel nicht möglich, die Ursache der Krankheit in der Vielfalt der verzehrten Lebensmittel zu finden. Bei Gruppenkrankheiten, so genannten lebensmittelbedingten Ausbrüchen, besteht jedoch eine bessere Chance, das Lebensmittel zu finden, das als Übertragungsvehikel für den Krankheitserreger diente, indem charakteristische Ähnlichkeiten zwischen den Fällen herausgearbeitet werden.
Definition: Ein lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch wird im Zoonosengesetz 2005 wie folgt definiert: Das unter gegebenen Umständen festgestellte Auftreten einer mit demselben Lebensmittel oder mit demselben Lebensmittelunternehmen in Zusammenhang stehenden oder wahrscheinlich in Zusammenhang stehenden Krankheit und/oder Infektion in mindestens zwei Fällen beim Menschen oder eine Situation, in der sich die festgestellten Fälle stärker häufen als erwartet.
Situation 2023
Im Jahr 2023 wurden insgesamt 42 lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche gemeldet, um 14 mehr als im Jahr 2022. In Summe waren 222 Personen von den Ausbrüchen betroffen, fast doppelt soviele wie im Jahr 2022 (128 Personen), jedoch deutlich weniger als 2019 (793 Personen) zu Vor-Corona-Zeiten. 38 Personen mussten in Verbindung mit den Ausbrüchen hospitalisiert werden (2022: 57, 2021: 27, 2020: 17, 2019: 159); es gab einen Todesfall (2022: 4 Todesfälle, 2021: 2 Todesfälle, 2020: kein Todesfall, 2019: ein Todesfall). Die durchschnittliche Personenanzahl pro Ausbruch war 5,3 und betraf zwischen einem und 32 Personen im jeweiligen Ausbruch. Diese Einzelperson ist einem länderübergreifenden Ausbruch zuzuordnen, der bereits im Jahr 2022 begonnen hatte. Wiederum ist die Anzahl der Haushaltsausbrüche im Jahr 2023 höher (n = 25) als die der allgemeinen Ausbrüche (n = 15), zudem gab es zwei Ausbrüche mit unbekanntem Status.
Als häufigstes Ausbruchsagens trat Salmonella in Erscheinung (21 Ausbrüche, 141 Betroffene, ein Todesfall). An zweiter Stelle liegt Campylobacter (12 Ausbrüche, 26 Fälle), danach folgen fünf Ausbrüche durch STEC (12 Personen), zwei Ausbrüche durch Norovirus (138 Personen) und je einer durch Listeria monocytogenes (3 Personen) und Yersinia enterocolitica (2 Fälle).
Drei wichtige lebensmittelbedingte Ausbrüche im Jahr 2023 wurden durch drei verschiedene Cluster von Salmonella Enteritidis ST11 (CT9791, CT13755, CT2114) verursacht, wobei in Österreich 31 Personen erkrankten und 10 davon hospitalisiert werden mussten; ein Patient verstarb. Insgesamt traten 335 Fälle in 14 EU-Staaten, Großbritannien und der USA auf. Die kontaminierten Lebensmittel waren Hühnerkebab mit Fleisch aus einem Betrieb in Polen kommend (European Centre for Disease Prevention and Control, European Food Safety Authority, 2023. Three clusters of Salmonella Enteritidis ST11 infections linked to chicken meat and chicken meat products – 26 October 2023)
Ein Ausbruch mit starker Evidenz - verursacht durch L. monocytogenes Sg IVb/ST6/CT90 - betraf drei Personen, zwei davon mussten im Krankenhaus aufgenommen werden. Das verantwortliche Lebensmittel war gekochter Schweinespeck von einem österreichischen Produzenten.
Ein lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch vom Jahr 2022 (vier Personen waren betroffen) wurde 2023 mit einer Person fortgesetzt. Der gefundene Erreger war Salmonella Senftenberg ST14 CT17028 und die Infektionen wurden durch Verzehr von Tomaten aus Marokko verursacht (European Centre for Disease Prevention and Control, European Food Safety Authority, 2023. Multi-country outbreak of Salmonella Senftenberg ST14 infections, possibly linked to cherry-like tomatoes – 27 July 2023)
Ein wichtiger Ausbruch mit starker Evidenz war ein länderübergreifender Ausbruch verursacht durch Salmonella Strathcona ST2559 CT3910 und betraf 24 Personen wovon vier hospitalisiert werden mussten. Insgesamt traten 149 Fälle in 9 EU-Staaten, Großbritannien und der USA auf. Die verdächtigten Lebensmittel waren Kirschtomaten aus einem Betrieb in Italien (European Centre for Disease Prevention and Control, 2023. Communicable Disease Threats Report. Week 46, 12-18 November 2023. Stockholm: ECDC; 2023).
Eine besonders hohe Anzahl an Ausbrüchen steht 2023 mit Auslandsaufenthalten in Verbindung (10 Ausbrüche verursacht durch Salmonellen, 5 Ausbrüche durch Campylobacter).
Jahr | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
lebensmittelbedingte Ausbrüche | 609 | 438 | 368 | 351 | 193 | 232 | 122 | 133 | 96 | 78 | 80 | 69 | 52 | 48 | 21 | 20 | 28 | 42 |
- davon durch Salmonellen | 452 | 305 | 223 | 208 | 98 | 100 | 53 | 44 | 47 | 34 | 37 | 31 | 21 | 17 | 7 | 9 | 11 | 21 |
- davon durch Campylobacter | 137 | 108 | 118 | 120 | 82 | 116 | 61 | 58 | 40 | 32 | 40 | 24 | 24 | 22 | 10 | 6 | 8 | 12 |
Anzahl der Erkrankten (in Verbindung mit lebensmittelbedingten Ausbrüchen) | 2.530 | 1.715 | 1.376 | 1.330 | 838 | 789 | 561 | 568 | 790 | 333 | 436 | 227 | 222 | 793 | 67 | 92 | 128 | 222 |
- in Verbindung mit Ausbrüchen Erkrankte je 100.000 Bewohner | 30,7 | 20,7 | 16,5 | 15,9 | 10,0 | 9,4 | 6,7 | 6,7 | 9,3 | 3,9 | 5,0 | 2,6 | 2,5 | 9,0 | 0,7 | 1,0 | 1,4 | 2,4 |
- davon im Krankenhaus behandelt | 493 | 286 | 338 | 223 | 155 | 179 | 97 | 108 | 121 | 86 | 68 | 56 | 58 | 159 | 17 | 27 | 57 | 38 |
- Anzahl der Todesfälle | 3 | 1 | 0 | 6 | 2 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 2 | 0 | 1 | 0 | 2 | 4 | 1 |
Arten von Ausbrüchen
Auf Basis des österreichischen Zoonosengesetzes sammeln wir jährlich die Ausbruchsdaten und leiten diese an die EU weiter. Für diese Berichterstattung ergeben sich bestimmte Klassifizierungen: Ausbrüche, bei denen nur Mitglieder eines einzigen Haushaltes betroffen sind, werden als Haushaltsausbruch gewertet. Sind Personen aus mehreren Haushalten betroffen, wird dies als allgemeiner Ausbruch gezählt. Den Großteil (ca. 75 %) machen jedes Jahr Haushaltsausbrüche aus, weil es häufig nicht gelingt, Erkrankungsfälle verschiedener Haushaltsausbrüche epidemiologisch durch Identifizierung eines einzigen ursächlichen Lebensmittels miteinander in Verbindung zu setzen.
Ausbruchsabklärung
Das Ziel der Ausbruchserhebung ist es, nicht nur den gerade stattfindenden Ausbruch zu stoppen, sondern vor allem derartige Erkrankungen in der Zukunft generell zu verhindern.
Durch detaillierte und systematische Suche kann es gelingen, sowohl das Infektionsvehikel, also jenes Lebensmittel, welches das infektiöse Agens zum Menschen übertrug, und das Reservoir, das den Lebensraum darstellt, in dem ein infektiöses Agens normalerweise lebt, ausfindig zu machen. Nur dann ist es möglich, zielgerichtete und sinnvolle Interventionen zu setzen. Diese Maßnahmen sollen darin resultieren, dass die Ausbruchsursache, nämlich der Infektionserreger, aus der Lebensmittelkette eliminiert wird und die Konsumenten diesem Agens nicht mehr ausgesetzt sind.
Schön zeigt sich das präventivmedizinische Potential einer Ausbruchsabklärung an folgendem historischen Beispiel: Im Juli 2004 ist es gelungen, einen lebensmittelbedingten Ausbruch, verursacht durch Salmonella Enteritidis Phagentyp 36, einem in Österreich sehr seltenen Salmonellentypen, von dem 38 Personen in vier Bundesländern betroffen waren, abzuklären und auf eine Legehennenherde zurückzuführen. Die Herde wurde ausgemerzt, der Betrieb gründlich gereinigt und desinfiziert; anschließend wurden neue Legehennen eingestallt. Aufgrund dieser getroffenen Maßnahmen ist in Österreich seitdem kein einziger weiterer Erkrankungsfall durch Salmonella Enteritidis Phagentyp 36 bekannt geworden.
Über das EMS, ein flächendeckendes Surveillance-System, werden seit 2009 bakterielle und virale Lebensmittelinfektionen und -vergiftungen gemeldet. Diese Meldezahlen müssen jedoch differenziert betrachtet werden: Zahlreiche Faktoren können zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Erkrankungszahlen führen („underdetection/underreporting“). Je nach Erreger ist die Datenlage oft unterschiedlich gut: Für Salmonellen beispielsweise liegen Daten aus europaweiten Grundlagenstudien, Überwachungs- und Bekämpfungsprogrammen vor. Der Rückgang von Salmonellose-Erkrankungen ist ein Effekt von Maßnahmen, die aufgrund dieser Datenlage durchgeführt werden. Toxoplasmose hingegen ist nicht meldepflichtig, obwohl neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf einen Zusammenhang mit Lebensmittel hinweisen. All diese Faktoren müssen bei der Einschätzung der tatsächlichen Bedeutung einer Krankheit für die öffentliche Gesundheit berücksichtigt werden.
Durchführung
Gemäß den Bestimmungen des Epidemiegesetzes haben die lokal zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde durch die ihnen zur Verfügung stehenden Amtsärztinnen und Amtsärzte über jede Anzeige sowie über je den Verdacht des Auftretens einer anzeigepflichtigen Krankheit – und damit auch im Falle von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen – unverzüglich die zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten. Darüber hinaus verpflichtet das Zoonosengesetz 2005 die jeweils zuständigen Behörden, lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche zu untersuchen und soweit möglich dabei angemessene epidemiologische und mikrobiologische Untersuchungen durchzuführen.
Die Behörden haben dabei die Möglichkeit Experten hinzu zu ziehen. Eine bloße Verstärkung von ungezielten Lebensmittelbeprobungen hat sich in der Vergangenheit wiederholt als nicht zielführend erwiesen. Bei vielen Ausbrüchen steht zum Zeitpunkt der Erhebungen das ursächliche Lebensmittel (bzw. die betroffene kontaminierte Charge des ursächlichen Produkts) für mikrobiologische Untersuchungen nicht mehr zur Verfügung.
Eine epidemiologische Studie kann in diesen Fällen Erkenntnisse bringen, die präventive Maßnahmen zur Vermeidung ähnlicher Zwischenfälle in der Zukunft ermöglichen. Die gewonnenen Erkenntnisse aus erfolgreich abgeklärten nationalen und internationalen Ausbrüchen der letzten Jahre haben die Notwendigkeit und den Nutzen von epidemiologischen Abklärungen außer Frage gestellt.
Themenbericht
In die Überwachung der Lebensmittelkette sind viele Behörden und Institutionen aus unterschiedlichen Fachgebieten involviert. Aufgrund der Komplexität und der teils unterschiedlichen Zielsetzungen ist eine umfassende, gemeinsame Betrachtung unbedingt notwendig. Der 4. Bericht aus der Reihe AGES Wissen Aktuell, "Lebensmittelbedingte Infektionskrankheiten", bietet diese Zusammenschau. Darüber hinaus wird beschrieben, welche Ursachen zu einer Kontamination tierischer Lebensmittel mit bestimmten Erregern führen können und welche Maßnahmen für eine Reduktion sowohl von Seiten der ProduzentInnen als auch der KonsumentInnen möglich sind.
In Österreich werden jedes Jahr rund 8.000 lebensmittelbedingte Erkrankungen im nationalen epidemiologischen Meldesystem (EMS) erfasst. Nach Definition der WHO sind durch Lebensmittel verursachte Infektionskrankheiten „Krankheiten infektiöser oder toxischer Natur, die tatsächlich oder wahrscheinlich auf den Verzehr von Lebensmitteln oder Wasser zurückgeführt werden können“.
Insgesamt sind über 250 Erreger und Toxine bekannt, die derartige Erkrankungen verursachen können. Der vorliegende Bericht beschränkt sich auf 20 Erreger, die in Österreich von Bedeutung sind (Campylobacter, Clostridium difficile, EHEC/VTEC, Listerien, Salmonellen, Shigella, Vibrionen, Yersinien, Noroviren, Rotaviren, Sapoviren, Hepatitisviren, Cryptosporidium parvum, Toxoplasma gondii, Cyclospora cayetanensis, Giardia und die Toxinbildner Staphyloccus aureus, Bacillus cereus, Clostridium botulinum, Clostridium perfringens). Erreger, die in Österreich so gut wie nicht vorkommen bzw. nur als Reisekrankheiten auftreten, wurden nicht berücksichtigt.
Aktualisiert: 04.09.2024