Shigellen

Shigella sonnei, Shigella flexneri, Shigella dysenteriae, Shigella boydii

Steckbrief

Shigellen sind Bakterien, die schwere Durchfallerkrankungen auslösen können (Shigellose, Shigellenruhr, Shigellen-Dysenterie)

Vorkommen

Weltweit

Erregerreservoir

Mensch

Infektionsweg

Die Übertragung erfolgt durch Schmierinfektion entweder direkt von Mensch zu Mensch oder indirekt über mit Shigellen verunreinigte Gegenstände, Türklinken, Wäsche etc. sowie über verunreinigte Lebensmittel und verunreinigtes Wasser.

Inkubationszeit

Ein halber Tag bis 4 Tage, selten länger

Symptomatik

Fieber, krampfartige Bauchschmerzen, wässriger Durchfall. Die Dauer der Erkrankung beträgt im Durchschnitt 7 Tage

Therapie

Eine Behandlung mit Antibiotika verkürzt die Krankheitsdauer und reduziert die Erregerausscheidung

Vorbeugung

Entsprechende Händehygiene bzw. persönliche Hygiene zur Vermeidung der fäkal-oralen Übertragung der Shigellose von Mensch zu Mensch ist die wichtigste vorbeugende Maßnahme.

Situation in Österreich

Die Mehrzahl aller Shigella Spezies wird von Reisenden importiert. In Österreich werden Shigellosen größtenteils durch S. sonnei und S. flexneri verursacht.

Gemeldete Shigellose-Fälle in Österreich

Fachinformation

Shigellen sind gramnegative, unbewegliche, fakultativ anaerobe Stäbchenbakterien. Sie sind die Erreger der Shigellose (Shigellenruhr, Shigellen-Dysenterie). Die einzig relevante Infektionsquelle ist der Mensch (Kranke, Rekonvaleszente und symptomlose Ausscheider).

Die Ansteckungsgefahr ist vor allem von der Menge der ausgeschiedenen Erreger und der Stuhlkonsistenz sowie dem hygienischen Verhalten der Infizierten abhängig. Deshalb geht die größte Gefahr von akut Erkrankten aus. Nicht humane Infektionen kommen vor allem bei in Gefangenschaft lebenden Affen vor, haben aber im Allgemeinen für die Epidemiologie der Shigellose keine Bedeutung.

Die Gattung Shigella zählt zur Familie der Enterobacterales und kann anhand ihrer biochemischen Merkmale und spezifischen O-Antigene in 4 Spezies oder auch Untergruppen (UG) unterteilt:

  • S. dysenteriae (Untergruppe A)
  • S. flexneri (Untergruppe B)
  • S. boydii (Untergruppe C)
  • S. sonnei (Untergruppe D)

Die Stämme innerhalb der Untergruppen A-C können in Serovare unterteilt werden. S. sonnei ist serologisch einheitlich und besteht aus einem Serovar. In Österreich werden ca. 80 % der Shigellosen durch Shigella sonnei verursacht.

Verbreitung

Shigellen sind weltweit verbreitet. In Mitteleuropa sind Shigella sonnei und Shigella flexneri endemisch. Ein Großteil aller Shigellosen in Österreich wird von Reisenden importiert (etwa 60-70 % der gemeldeten Fälle), wobei die Erreger am häufigsten aus Ägypten, Indien und Marokko eingeschleppt werden. Unzureichende hygienische Verhältnisse und beengte Wohngemeinschaften (Lager, Seniorenheime, Kindergärten, Schulen) begünstigen die Ausbreitung.

Übertragung

Die Übertragung erfolgt meist durch direkte oder indirekte Schmierinfektion über kontaminierte Hände. Die Infektion kann sich indirekt über Lebensmittel, Trinkwasser, Badewasser oder kontaminierte Gegenstände verbreiten. Die Erreger der Shigellose können auch leicht bei sexuellem Analkontakt übertragen werden. Die Aufklärung aufgrund des erhöhten Übertragungsrisikos unter MSM (men who have sex with men) ist vor allem in Zusammenhang mit dem gehäuften Auftreten multiresistenter Shigella Stämme wichtig. Gegebenenfalls, meist in Entwicklungsländern, spielen Fliegen als Überträger eine Rolle. Die Infektionsdosis ist bei Shigellen sehr niedrig. Bereits eine minimale Menge (10-200 Keime) genügt, um klinische Symptome auszulösen. Der Grund dafür liegt in einer im Vergleich zu Salmonellen relativ hohen Säuretoleranz.

Erkrankung

Inkubationszeit: 0,5 bis 4 Tage, selten länger. Alle Shigellen bilden ein aus Lipopolysacchariden bestehendes Endotoxin, welches für die entzündliche Reizung der Darmschleimhaut verantwortlich ist. Das Eindringen in die Epithelzellen des Dickdarms wird durch das ipaH (Invasionsplasmid Antigen H) -Gen ermöglicht. Einige Shigella Spezies (primär Shigella dysenteriae 1) bilden zusätzlich ein Exotoxin (Shiga Toxin), das zu schweren Krankheitsbildern mit Beteiligung des ZNS führen kann. Die Krankheit variiert zwischen leichten Verlaufsformen mit geringer wässriger Diarrhoe und schweren Erkrankungen. Das Auftreten blutig-schleimiger Stühle entspricht dem klinischen Bild der Ruhr (daher die Bezeichnung Shigellenruhr, Bakterienruhr). Die typische Bakterienruhr beginnt mit Fieber, krampfartigen Bauchschmerzen und wässrigem Durchfall. Beimengungen von Schleim, Eiter und Blut, die bei leichtem Verlauf fehlen, sind für Ruhrstühle charakteristisch. In typischen Fällen kommt es täglich zu 20 bis 30 Entleerungen, die mit schmerzhaftem Stuhldrang (Tenesmen) verbunden sind. Die jeweils abgesetzte Stuhlmenge ist gering. Eine Shigellose geht oft mit abdominale Krämpfe und Erbrechen einher. Bei schweren Erkrankungen können im Dickdarm Epithelnekrosen und Geschwüre auftreten. In seltenen Fällen kann es auch zum Auftreten des Reiter-Syndroms (vor allem durch S. flexneri) und des hämolytisch-urämisches Syndroms (durch Stx-positive Shigella spp.) kommen.

Die Dauer der Erkrankung variiert abhängig vom Verlauf und beträgt im Durchschnitt 7 Tage. Eine Ansteckungsfähigkeit besteht vor allem während der akuten Infektion (d.h. solange die Person Krankheitssymptome zeigt) und solange der Erreger mit dem Stuhl ausgeschieden wird; dies kann 1-4 Wochen nach der akuten Krankheitsphase der Fall sein. Eine Ausscheidung über einen längeren Zeitraum ist selten. Bei asymptomatischem Trägertum kann die Ausscheidung über mehrere Monate anhalten. Etwa die Hälfte aller Shigellosen hat einen abortiven Verlauf, der als leichter, kurzzeitiger Durchfall ohne Blut im Stuhl auftritt. Diese Formen sind epidemiologisch besonders gefährlich, weil sie meist nicht erkannt werden.

Therapie

Eine Behandlung mit Antibiotika verkürzt die Krankheitsdauer und reduziert die Erregerausscheidung. In Industrieländern werden Shigella-Infektionen meist durch S. sonnei verursacht. Es handelt sich dabei oft um milde Erkrankungen, wobei eine Antibiotika-Therapie nicht zwingend ist, jedoch zur Verhinderung von Sekundärinfektionen indiziert sein kann. Die Therapie hat sich aufgrund der weit verbreiteten und sich schnell entwickelnden Resistenz bei Shigellen grundsätzlich nach dem Antibiogramm zu richten. Über die Notwendigkeit einer Antibiotikagabe entscheidet der behandelnde Arzt. Bei der Therapie einer Shigellose sollten keine Motilitätshemmer eingesetzt werden. Ein parenteraler Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes kommt primär bei Patienten mit chronischen Grunderkrankungen und bei sehr jungen sowie älteren Patienten zur Anwendung.

Vorbeugung

Eine entsprechende Händehygiene bzw. persönliche Hygiene zur Vermeidung der fäkal-oralen Übertragung der Shigellose von Mensch zu Mensch ist die wichtigste präventive Maßnahme. Shigellen werden oft über Toilettenanlagen in Schulen und Kindergärten weiterverbreitet, daher ist in diesen Bereichen immer eine ausreichende Reinigung notwendig. Aufgrund des geringeren „Hygienebewusstseins“ von Kleinkindern sollte vor allem in Kindergärten das gründliche Händewaschen mit Wasser und Seife nach dem Besuch der Toilette geübt und kontrolliert werden.

Lehrer, Schüler, Schulbedienstete und Beschäftigte sowie Besucher weiterer Kindergemeinschaftseinrichtungen, die an Shigellose erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen Einrichtungen der Schule und ähnliche Einrichtungen nicht benutzen und an deren Veranstaltungen nicht teilnehmen, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Personen, die an Shigellose erkrankt oder dessen verdächtig sind oder Shigellen ausscheiden, dürfen beim gewerbsmäßigen Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln nicht tätig sein oder beschäftigt werden, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen. Dies gilt sinngemäß auch für Beschäftigte von Gaststätten, Kantinen sowie weiteren Bereichen in der und zur Gemeinschaftsverpflegung.

Diagnostik

Differenzialdiagnostisch sind eine Vielzahl anderer Erreger von Darminfektionen sowie nichtinfektiöse Ursachen abzugrenzen. Leichte Verlaufsformen der Shigellose können zum Beispiel mit Salmonellosen oder mit Infektionen viralen Ursprungs wie Noroviren, Adenoviren oder Rotaviren, verwechselt werden. Bei Vorliegen blutiger Stühle ist auch an Infektionen mit Campylobacter, Yersinia enterocolitica, enteroinvasive und enterohämorrhagische E. coli, Clostridium difficile, Aeromonas, bei Rückkehr aus warmen Ländern an eine Amöbiasis oder Lamblien, bei älteren Personen zusätzlich an Karzinome, bei Kindern an eine Invagination zu denken.

Klinisch und anamnestisch lässt sich lediglich eine Verdachtsdiagnose ableiten. Die Diagnose Shigellose kann erst durch die bakteriologische Stuhluntersuchung gestellt werden. Als Untersuchungsmaterial eignet sich am besten frischer Stuhl (ev. auch frisch entnommene Rektalabstriche). Zumindest die Rektalabstriche müssen in gepuffertem Medium transportiert werden.

Im Primärlabor wird der Erregernachweis aus dem Stuhl entweder konventionell durch Isolierung mittels Selektiv-Agar und anschließender biochemische und/oder serologische Identifizierung durchgeführt, oder mittels PCR Systeme. Durch diesen molekularbiologischen Nachweis kann jedoch nicht zwischen Shigella und EIEC (Enteroinvasive Escherichia coli) unterschieden werden, daher bedingt diese Methode, wenn das PCR Ergebnis positiv ist, eine zusätzliche Isolierung bzw. Identifizierung des Pathogens.

Shigella -Isolate werden von den Primärlabors an die Nationale Referenzzentrale für Shigellen in Österreich gesendet. Die in der Referenzzentrale einlangenden Stämme werden einer Typisierung mittels Serotypisierung, Biochemotypisierung, Phagentypisierung (nur bei Shigella sonnei), MLST (multilocus sequence typing) und cgMLST (core genome multilocus sequence typing) unterzogen. Bei allen Isolaten erfolgt eine Antibiotika-Resistenztestung.

Kontakt

Leitung

Mag. Dr. Ingeborg Lederer

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Aktualisiert: 02.04.2024