Schaf- und Ziegenpocken
Sheep pox (SPP), Goat Pox (GTP)
Steckbrief
Schaf- und Ziegenpocken sind Pockenerkrankungen der kleinen Wiederkäuer. Für den Menschen sind Schaf- und Ziegenpocken ungefährlich.
Vorkommen
Endemisch in Asien (inkl. europäischer Teil von Russland), Kleinasien, im Mittleren Osten und in Afrika. In Österreich bzw. in der EU, mit Ausnahme von Griechenland, Bulgarien und Spanien, kommen Schaf- und Ziegenpocken nicht vor. Im September 2022 wurden erstmals Schafpocken-Ausbrüche bei Schafen in Spanien gemeldet. Nach wie vor sind Schafe und Ziegen in Spanien von dieser Pockenerkrankung betroffen.
Wirtstiere
Schafe und Ziegen. Eine Infektion wildlebender kleiner Wiederkäuer mit Schaf- oder Ziegenpockenviren ist möglich.
Infektionsweg
Die Ansteckung erfolgt meist über direkten Kontakt von Tier zu Tier, oftmals über Aerosole. Eine indirekte Verbreitung über Insekten (z. B. Stallfliegen), über kontaminiertes Stallequipment, Arbeitsgeräte, Gegenstände und Transportfahrzeuge ist aufgrund der Langlebigkeit des Virus in der Umgebung möglich. Nicht fachgemäß behandelte Tierhäute und Felle sind ebenfalls wichtige Verbreitungsquellen der Erreger.
Inkubationszeit
4-14 Tage
Symptomatik
Hohes Fieber (40-42 °C), Nasen- und Augenausfluss, Lungenentzündung, Störung des Allgemeinbefindens, Mattigkeit, Verweigerung der Nahrungsaufnahme durch schmerzhafte Läsionen im Maul. Die Sterblichkeitsrate schwankt zwischen 50 % und 100 % und ist bei Jungtieren besonders hoch
Therapie
Es gibt keine Therapie
Vorbeugung
Intensive Beobachtung bzw. kurzzeitige Absonderung von neu zugekauften Tieren bzw. für den Deckakt neu eingestellten Ziegen- und Schafböcken. Impfstoffe sind vorhanden, jedoch in der EU nicht zugelassen.
Situation in Österreich
Schaf- und Ziegenpocken zählen zu den anzeigepflichtigen Erkrankungen der kleinen Wiederkäuer (Tierkrankheit der Kategorie A). Bislang kam die Krankheit in Österreich nicht vor.
Fachinformation
Schaf- und Ziegenpocken kommen endemisch in Afrika, im Mittleren Osten, in Kleinasien (Türkei) und in Asien (z.B. im asiatischen Teil von Russland, China, Indien) vor. Seit 2018 kommt es immer wieder zu Ausbrüchen im europäischen Teil von Russland an der Grenze zu Finnland, Estland, Lettland, Weißrussland und der Ukraine. In Europa wurden Ausbrüche in Griechenland (2013-2014, 2015, 2017, 2023) und Bulgarien (2013, 2023) gemeldet. Im Jahr 2022 erreichte die Tierseuche erstmals Spanien. Informationen zum aktuellen Tierseuchengeschehen in Spanien finden sich im World Animal Health Information System .
Betroffene Tierarten sind Schafe und Ziegen. Infektionen von wildlebenden kleinen Wiederkäuern sind dokumentiert. In Europa zeigte sich das europäische Mufflon als empfängliche Spezies. Daten zu Steinwild (Capra ibex) und Gämsen (Rubicapra sp.) fehlen. Eine Infektion des Menschen mit dem Schaf- bzw. Ziegenpockenvirus ist nicht bekannt.
Der Import von Schafen und Ziegen aus Regionen mit endemischem Vorkommen von Schaf- und Ziegenpocken ist verboten. Das Erstauftreten dieser Tierkrankheiten konnte in Griechenland und Bulgarien auf illegale Verbringung einzelner infizierter Tiere im Zuge der Wanderviehwirtschaft bzw. der Immigrationsbewegungen sowie auf den illegalen Tierhandel zurückgeführt werden (EFSA Journal 2014;12(11):3885.). Als Ursache des Erstauftretens in Spanien wird ein Eintrag aus Nordafrika vermutet. Eine Verbringung von gesunden Tieren innerhalb der betroffenen EU-Staaten Griechenland und Bulgarien erfolgt nur zum Zwecke der Züchtung und Schlachtung. Weitere Verbreitungsmechanismen über geographisch längere Distanzen (z. B. über Wildtiere, Vögel bzw. über Vektoren) sind nicht erforscht.
Die Erreger der Schaf- und Ziegenpocken, das Schafpockenvirus (SPPV) und das Ziegenpockenvirus (GTPV), gehören zur Gattung der Capripoxviren. Die Schaf- und Ziegenpockenviren sind doppelsträngige, behüllte DNA-Viren (Größe: 170–260nm x 300–450nm). Sie kommen in genetisch verschiedenen Stämmen vor. Einige dieser Virusstämme können auf die nach ihnen benannte Tierart spezialisiert sein; manche Stämme können aber sowohl Ziege als auch Schaf infizieren. Phylogenetisch unterscheiden sich das Schaf- und das Ziegenpockenvirus vom ebenfalls zu den Capripoxviren gehörenden Lumpy skin disease virus (LSDV); serologisch sind Capripoxviren bislang noch nicht zu differenzieren.
Die direkte Verbreitung der Erreger vom infizierten zum gesunden Tier erfolgt über mit Erregern behaftete Aerosole durch Husten, Niesen und heftiges Kopfschütteln. Dabei werden mit Erregern behaftete Exkrete (Nasen-, Augenexkrete, Hustenschleim) verbreitet. Die direkte Übertragung von Erreger über offene Hautwunden bei Kontakt mit infizierten Tieren ist ebenfalls möglich. Saugende Lämmer und Kitze können sich auch beim infizierten Muttertier über Hautläsionen am Euter anstecken. Erkrankte Tiere sind bereits bei den ersten Anzeichen von Hautläsionen infektiös.
Die indirekte Übertragung erfolgt über Arthropoden (z. B. Stallfliegen). Wissenschaftliche Studien über Vektoren sind spärlich. Virushaltige Exkrete im Futtermittel, Wasser, in der Wolle, in der Stallumgebung und in Transportern sowie schlecht präparierte bzw. unbehandelte Tierhäute infizierter Tiere tragen zur Verbreitung der Krankheit bei. Im Speichel und in der Nasen- bzw. Augenflüssigkeit infizierter Tiere sind die Viren bis zu 64 Tage, in den Hautläsionen bis zu 30 Tage, in abgefallenen Krusten der Läsionen bis zu 180 Tage, im Urin 15 Tage und im Kot 61 Tage nach Infektion nachweisbar. Die Viren können über längere Zeit in der Umgebung - z. B. bis zu 180 Tage auf Weiden oder 6 Monate im Schatten im Stallgebäude - überdauern. Die Viren sind anfällig für Temperaturen über 70 °C (65 °C/30min., 56 °C/2h). Bevorzugtes pH-Milieu ist zwischen 6.6. und 8.6. Hoher alkalischer oder saurer pH zerstören die meisten Erreger. 1 % Formalin bzw. Chloroform, 2-3 %iges Natriumhypochlorit und einige weiteren Viruzide können die Viren inaktivieren.
Symptomatik
Die Schwere der Krankheit hängt von der Virulenz des Virusstammes, der Rasse und dem Alter der Wirtstiere ab. Der Krankheitsverlauf sowie die Ausprägung der Symptome sind in homolog infizierten Tieren ausgeprägter. Jungtiere sind stärker betroffen als ältere Tiere; die Morbidität beträgt 70-90 %, die Mortalität über 50 %. Die Mortalität kann bei Lämmern und Kitzen nahezu 100 % betragen. Genesene Tiere haben zeitlebens eine Immunität gegenüber Neuinfektionen.
Die Infektion der Tiere erfolgt meist über offene Hautwunden oder über die respiratorischen Organe durch erregertragende Aerosole. Das Auftreten erster Hautläsionen beginnt 6 Tage nach der Infektion. Bis zum 6. Tag sind die meisten Tiere nicht infektiös. Die ersten Symptome sind Nasen- und Augenabsonderungen, Fieber (40-42 °C), Atmungsprobleme, Appetitlosigkeit und depressives Verhalten. Hautläsionen treten zuerst im Gesicht, um Lippe und Nasenregion und an den Augenlidern auf. Hautläsionen finden sich oft auch am Euter und am Schwanzansatz sowie manchmal unter der Wolle. Pockenläsionen können in nahezu allen internen Organen - in der Mundhöhle, Nasenhöhle, auf der Zunge, in der Lunge und an den Schleimhäuten des Verdauungstraktes und respiratorischen Traktes auftreten. Lymphknoten, Leber und Milz sind in geringerem Maße befallen. Nach 21 dpi ist eine Erholung der Tiere möglich. Die Tiere zeigen zwar keine klinischen Symptome mehr, können aber bis zu 64 Tage nach der Infektion Erreger absondern. Bei Lämmern sind die Krankheitssymptome stärker ausgeprägt. Aufgrund der schmerzhaften Läsionen im Maul, Nasenbereich, im respiratorischen Trakt und im Verdauungstrakt verweigern die Jungtiere oft die Nahrungsaufnahme und verhungern.
Therapie, Bekämpfung
Schaf- und Ziegenpocken sind anzeigepflichtige Tierseuchen. Die Bekämpfung beider Krankheiten stützt sich daher auf
- die Verhinderung der Einschleppung und Verbreitung des Erregers aufgrund von Handelsrestriktionen in Hinblick auf Tierhandel und Handel mit tierischen Produkten von betroffenen Ländern
- die frühe Detektion der Krankheiten
- Im Seuchenfall von der Behörde vorgeschriebene Maßnahmen (z. B. die „stamping out“ Methode (Keulung infizierter und seuchenverdächtiger Tiere)
Bei Auftreten von Schaf- und Ziegenpocken sind Restriktionen bei der Verbringung von Tieren und tierischen Produkten, sowie Errichtung von Schutzzonen um Ausbruchsherde bzw. andere krankheitsspezifische Restriktionen zu erwarten. Nach der Keulung von betroffenen Tierbeständen sind intensive Reinigung und Desinfektion der Ställe sowie eine Warteperiode vor Neubesatz Voraussetzung für eine neuerliche Einstallung. Die Beobachtung und Untersuchung von Sentineltieren ist für das weitere Auftreten von Infektionen bedeutsam.
Attentuierte Lebendimpfstoffe sind vorhanden, diese sind jedoch in der EU nicht zugelassen. Diagnostisch ist bei SPP eine Unterscheidung zwischen geimpften und mit einem Feldstamm infizierten Tieren möglich; bei GTP ist das nicht möglich.
Diagnostik
Probenart:
lebende Tiere:
- Hautläsionen und/oder Hautkrusten
- Speichelflüssigkeit (nativ in Röhrchen oder Tupfer möglich - keine bakteriologischen Tupfertransportmedien)
- Nasen- und Augenflüssigkeit (mit Tupfer - keine bakteriologischen Tupfertransportmedien)
- Blut (EDTA/Heparin) und Serum
Tierkörper (tot):
- ganze Tierkörper
- Hautläsionen und/oder Hautkrusten
- Lymphknoten
- Milz
- Lunge und veränderte Regionen des Respirationstraktes
- Nasenflüssigkeit (mit Tupfer - keine bakteriologischen Tupfertransportmedien)
Die Proben können über den Amtstierarzt an das Nationale Referenzlabor für Capripocken (Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling) eingesandt werden.
Nachweisverfahren:
- Molekularbiologische Methoden (PCR)
- Nachweis von Antikörpern mittels ELISA
- Serumneutralisationstest (SNT)
- Virusanzüchtung in der Zellkultur (nur für Forschungszwecke)
Die diagnostischen Methoden werden auch in der Ausschlussdiagnostik angewandt. Mit der Ausschlussdiagnostik kann nicht nur frühzeitig ein Seuchengeschehen erkannt werden, sie dient auch zur Aufrechterhaltung der Kompetenz der labordiagnostischen Untersuchungen.
Differentialdiagnose
Blauzungenkrankheit, Maul- und Klauenseuche, Pest der kleinen Wiederkäuer, Lippengrind, Infektionen mit dem Ovinen Herpesvirus 2 (OvHV-2), idiopathische Ulzeration, Moderhinke, Insektenstiche, Fotosensibilität
Weitere Informationen – nützliche Referenzen
Kommunikationspklatform VerbraucherInnnengesundheit (KVG) – Schaf- und Ziegenpocken: https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/tiere/krankheiten/schaf_ziegenpocken.html
World Organisation for Animal Health: www.woah.org
WOAH Steckbrief Schaf- und Ziegenpocken: https://www.woah.org/en/disease/sheep-pox-and-goat-pox/
WAHIS: https://wahis.woah.org/#/home
EFSA: www.efsa.europa.eu/de
EFSA: Krankheitsprofile: (https://animal-diseases.efsa.europa.eu/) - Sheep and GoatPox: https://animal-diseases.efsa.europa.eu/SPPV
Food and Agriculture Organization (FAO): https://www.fao.org/home/en
Specific Diseases of sheeps and Goats: https://www.fao.org/3/t0756e/T0756E06.htm
Kontakt
Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling
- vetmed.moedling@ages.at
- +43 50 555-38112
-
2340 Mödling
Robert Koch-Gasse 17
Aktualisiert: 21.05.2024